Schon Leonard Stein hat angenommen, daß die beiden vollendeten Heyse-Vertonungen Waldesnacht und Mädchenlied Sang ein Bettlerpärlein (Stein Nr. 30 und 31) 1897 entstanden sind; und die zeitliche Nähe wird dadurch beglaubigt, daß für ihre Quellen – wenigstens partiell – die selbe Papiersorte verwendet ist (12 ohne FZ). Die chronologische Bestimmung von Schönbergs Beschäftigung mit Gedichten von Heyses indes kann noch konkreter an der dritten Liedkomposition nach Heyse festgemacht werden, dem Fragment Vorfrühling Stürme brausten über Nacht. Zunächst stehen die Notierungen des Fragments auf einem Notenpapier (J. E. 18b²), das – wie die Reinschriften zweier im Jahre 1897 entstandener Dehmel-Vertonungen zeigen – mit Gewißheit in diesem Jahr benutzt wurde. Einen weiteren Anhaltspunkt jedoch gibt eine Notierung der Sammelquelle VI, die das Fragment enthält. Sie bietet nämlich auch den Entwurf einer vorwiegend unbegleiteten Melodie; und eine andere Version dieser Melodie findet sich – vgl. GA Band 20 der Reihe B, S. 222 – auf der letzten Seite der Niederschrift zum Scherzo F-Dur für Streichquartett, die mit 27. VII. 1897 am Anfang und mit 7. VIII. 1897 am Ende datiert ist. (Schmidt, Christian Martin: GA, Reihe B, Bd. 1/2, Teil 1, S. 45)

Überliefert sind zwei Entwürfe des Anfangs. (Schmidt, Christian Martin: GA, Reihe B, Bd. 1/2, Teil 1, S. 364)

Text nach GA:

Stürme brausten über Nacht
Stürme brausten über Nacht
und die kahlen Wipfel troffen
Frühe war mein Herz erwacht [...]

Text nach Vorlage:

[Paul Heyse]
Vorfrühling.
Stürme brausten über Nacht,
Und die kahlen Wipfel troffen.
Frühe war mein Herz erwacht,
Schüchtern zwischen Furcht und Hoffen.

Horch, ein trautgeschwätz'ger Ton
Dringt zu mir vom Wald hernieder,
Nisten in den Zweigen schon
Die geliebten Amseln wieder?

Dort am Weg der weiße Streif -
Zweifelnd frag' ich mein Gemüte:
Ist's ein später Winterreif,
Oder erste Schlehenblüte?

(Carl Busse (Hrsg.): Neuere / Deutsche Lyrik. Halle a.d.S.: Druck und Verlag von Otto Hendel [1895], S. [271])