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Streichquartett Nr. 2
C. Einrichtung für Streichorchester (1929)

Entstehungszeitraum: 1927-1929
Weitere Quellen:

Handexemplar der 1. Ausgabe des Partiturdrucks Gb der Quartettfassung, Stichvorlage für den Druck der Streichorchesterfassung O

Korrekturabzüge der Partitur

Erstdruck der Partitur der Einrichtung für Streichorchester

Schönbergs Handexemplar von O

Kontrabaßstimme, Kopistenabschrift. Stichvorlage für den Druck einer Kopistenautographie Q

Beschreibung:

Möglicherweise wäre Schönbergs Einrichtung in Vergessenheit geraten, hätte nicht die Universal-Edition über Erwin Stein am 6. April 1927 angefragt, ob der Verlag die seinerzeit vorgenommene Bearbeitung von Opus 10 in eine Serie von Musik für Streichorchester aufnehmen dürfe. Der Verlag war zu diesem Zeitpunkt damit beschäftigt, eine „Universal Ensemble-Serie" ins Leben zu rufen, in der unter der Rubrik Serie I Originalwerke und Bearbeitungen für Streichorchester erschienen. Unter den wenigen Originalwerken befanden sich etwa die Sinfonietta von Paul Graener oder die Symphonie IV von Darius Milhaud. Bearbeitet worden waren zum einen Stücke des 18. Jahrhunderts wie die Haffner-Serenade von Wolfgang Amadeus Mozart oder der Variationensatz aus Joseph Haydns sogenanntem Kaiserquartett, zum anderen jedoch auch zeitgenössische Kompositionen. Dazu gehörten etwa Alban Bergs 3 Stücke aus der Lyrischen Suite oder ein Concerto von Alfredo Casella. Abgesehen von Berg und Schönberg, die für die Bearbeitungen selbst verantwortlich zeichneten, haben sonst vom Verlag beauftragte Personen die Umarbeitungen erstellt, wobei insbesondere Erwin Stein bei vielen Werken als Bearbeiter auf dem Titelblatt erscheint. Dem Brief Steins zufolge hatte Berg von Schönberg eine Partitur der Quartettfassung (1. Ausgabe des Partiturerstdrucks, Quelle L) geschenkt bekommen, die vom Komponisten mit Eintragungen für die Streichorchesterfassung versehen worden war. Diese wollte man als Grundlage für die Drucklegung verwenden. Es ist ungeklärt, in welchem Kontext Quelle L entstand, handelt es sich dabei doch nicht um das von Schönberg 1919 bei der Uraufführung verwendete Exemplar.
Dem Brief Bergs vom 12. April 1927 zufolge hatte Schönberg die Partitur Berg, der bei der Aufführung am 3. Juni 1919 nicht hatte anwesend sein können, bei einem Besuch in Mödling geschenkt. Die Partituren I und L unterscheiden sich allerdings deutlich voneinander: Fast sämtliche Eintragungen, die in I vorgenommen worden sind, fehlen in L (einschließlich der Unterteilung des 4/4-Takts in je zwei 4/8-Takte im 4. Satz). Quelle L weist (mit einer Ausnahme) ausschließlich Eintragungen im System des Violoncellos auf, wobei der überwiegende Teil aus Markierungen besteht, die jene Stellen kennzeichnen, die vom Kontrabaß gespielt werden sollen. Daneben gibt es nur im 4. Satz (T. 85-88) einen Vermerk, der die I. Geige betrifft und für diesen Abschnitt ein solistisches Spiel fordert. Über die Funktion von Quelle L und das Verhältnis der beiden Partituren gibt es keine verläßlichen Informationen. Angesichts der Tatsache, daß beide Partituren verschiedene Eintragungen enthalten, liegt die Annahme nahe, daß sie einander ergänzen und erst die Summe der beiden Quellen den Stand der Werkgenese von 1919 wiedergibt. Fraglich bleibt allerdings dann, warum Schönberg die Kontrabaßstimme nicht auch in seine Dirigierpartitur (Quelle I) eingetragen hat. Als Grund scheint zumindest denkbar, daß Quelle L zu einem unbekannten Zeitpunkt als Vorlage zum Ausschreiben einer separaten Kontrabaßstimme (Quelle Ka*) verwendet worden sein könnte, weshalb sie Schönberg nicht zur Verfügung stand und eine Übertragung in die Dirigierpartitur unterblieb.
Schönberg gab schon am 8. April 1927 seine Zustimmung zur Drucklegung und sprach dabei zwei Dinge an: Zum einen könne er sich nicht erinnern, ob er bei der Uraufführung 1919 wirklich Kontrabässe habe mitspielen lassen, und empfahl, Webern darüber zu befragen. Zum anderen sollte die im letzten Satz angezeichnete Zerlegung jedes 4/4-Taktes in je zwei 4/8-Takte rückgängig gemacht werden. Dies habe sich nicht bewährt, da dadurch noch viel mehr Akzente gespielt wurden als sonst. Stein antwortete zwei Tage später und berichtete, er habe sich bei Webern wegen der Kontrabässe erkundigt und dabei erfahren, diese hätten sehr diskret mitgespielt. Er kündigte zugleich an, sich die in Bergs Besitz befindliche Einrichtung in den folgenden Tagen ansehen zu wollen. Unmittelbar danach muß damit begonnen worden sein, eine Stichvorlage für den Druck zu erstellen. Dafür wurde vom II. Quartett ein Exemplar der 1925 erschienenen Studienpartitur herangezogen, in das die Eintragungen aus Bergs Exemplar (Quelle L) übertragen wurden. Diese neu erstellte Partitur (Quelle M) schickte Stein zusammen mit Bergs Exemplar bereits am 16. April Schönberg zur Durchsicht. Wie aus den Quellen hervorgeht, nahm Schönberg noch einige wenige Korrekturen vor, ließ aber im übrigen die Einrichtung unangetastet.
Aufgrund dieser Ausgangssituation für die Herstellung einer gedruckten Partitur unterscheidet sich die 1927 vorgenommene Einrichtung für Streichorchester in zweifacher Hinsicht deutlich von der Fassung aus dem Jahre 1919. Zum einen wurde als Bearbeitungsgrundlage nun nicht mehr der Partiturerstdruck aus dem Jahre 1909, sondern die revidierte Ausgabe aus dem Jahre 1925 herangezogen. Aus diesem Grund sind viele Details nun anders gefaßt (eine ausführliche Übersicht über Art und Umfang der Revisionen bietet Band 20 der Reihe B auf S. 151 ff.). Zum anderen war nun durch den Verzicht auf eine direkte Konsultation von Schönbergs Dirigierpartitur (Quelle L) allein die Kontrabaßstimme derjenige Gegenstand, auf den sich die Einrichtung für Streichorchester konzentrierte (abgesehen von der oben erwähnten Solo-Tutti-Differenzierung im 4. Satz), nicht jedoch die zahlreichen Änderungen der Dynamik, Agogik sowie sporadisch der Phrasierung. Die Fassung von 1927 stellt daher nicht einfach eine schriftliche Fixierung der Aufführung vom Juni 1919 dar, sondern beinhaltet einen Notentext, der in wesentlichen Bereichen gerade nicht die spezifischen auf die Besetzung für Streichorchester zugeschnittenen Änderungen gegenüber der Quartettfassung berücksichtigt. Der Charakter von Schönbergs 1927 autorisierter Einrichtung brachte es mit sich, daß der Verlag nur eine Partitur (Quelle O) und eine Kontrabaßstimme (Quelle Q) neu anfertigen ließ, für die übrigen Streicherstimmen aber eine Verwendung der Quartettstimmen vorsah. Nachdem zunächst eine separate Kontrabaßstimme ausgeschrieben worden war, wurde am 17. Februar 1928 eine Kollationierung von eingerichteter Partitur und Kontrabaßstimme veranlaßt. Danach vergingen je doch - obwohl der Aufwand ja eigentlich relativ gering war - noch über eineinhalb Jahre, ehe die Partitur endlich am 28. August 1929 erschien. Die Kontrabaßstimme wurde sogar erst am 25. April 1930 ausgeliefert. Wann eine erste Aufführung dieser Einrichtung stattfand, ist nicht bekannt. Überliefert ist nur eine Aufführung der Streichorchesterfassung am 16. Juni 1930 in Winterthur mit dem dortigen Musikkollegium. Anders als bei Verklärte Nacht dürfte aber die Zahl der Aufführungen relativ gering gewesen sein: Noch heute wird als Leihmaterial von der Partitur und der Kontrabaßstimme die 1. Auflage angeboten. (Albrecht-Hohmeier, Martin; Scheideler, Ullrich: GA, Reihe B, Bd. 9, S. 210-211)

Zur Quartettfassung, die in Band 20 der Reihe A veröffentlicht ist, liegen folgende Quellen vor: Skizzen und Teile der Ersten Niederschrift (Aa, Ab, Ac), eine autographe Niederschrift der Partitur (B), eine autographe Partiturreinschrift (C), ferner autographe Streicherstimmen zum III. und IV. Satz (D). Der Erstdruck (Ea), von dem zwei weitere korrigierte Auflagen erschienen (Eb, Ec), wurde auf Grundlage des heute verschollenen Autographs E* vervielfältigt. Eine gestochene Partitur (Ga) wurde erstmals 1920 veröffentlicht. 1921/1925 sowie 1937 sind revidierte Neuauflagen (Gb, Gc) erschienen.
Die Stimmen wurden 1911 zunächst als Druck einer Kopistenautographie veröffentlicht (F), ehe sie 1921 durch die gestochenen Stimmen (H) ersetzt wurden. Textkritisch relevante Handexemplare liegen von Ea, Ga und Gb vor. All diese Quellen sind in Band 20 der Reihe B näher beschrieben.
Zur 1919 erstellten Einrichtung des Werks für Streichorchester liegen zwei Quellen vor: ein Handexemplar der 1915 erschienenen 3. Ausgabe des Partiturerstdrucks Ec der Quartettfassung (I) sowie ein Handexemplar von insgesamt vier Stimmsätzen der Stimmen F der Quartettfassung (K).
Zur Einrichtung aus dem Jahre 1927 sind ein Handexemplar der im Februar 1909 veröffentlichten 1. Ausgabe des Partiturerstdrucks Ea der Quartettfassung (L) mit Eintragungen zur Kontrabasstimme sowie ein Handexemplar der Studienpartitur Gb der Quartettfassung (M) aus dem Jahre 1925 erhalten. Letztere enthält ebenfalls Eintragungen zur Kontrabasstimme und war Vorlage für den bei der Universal-Edition 1929 veöffentlichten Erstdruck der Partitur der Streichorchesterfassung (O).Von diesem Erstdruck befindet sich in Schonbergs Nachlass auch ein Handexemplar des Komponisten (Oa), das einige wenige Eintragungen enthält. Überliefert sind ferner eine Kopistenabschrift der Kontrabasstimme (P) sowie die Erstausgabe der gedruckten Kontrabasstimme aus dem Jahr 1930 (Q; die übrigen Stimmen wurden nicht neu hergestellt). Als einzige verschollene Quelle sind die Korrekturabzuge N* zu nennen. (Albrecht-Hohmeier, Martin; Scheideler, Ullrich: GA, Reihe B, Bd. 9, S. 145)
Besetzung: Solo vokal, Streichorchester
Gattung: Kammermusik --> Melodramen und Lieder mit Instrumenten
Orchesterwerke --> Werke für Streichorchester
Text:

Text nach GA:

Litanei
Tief ist die trauer, die mich umdüstert,
Ein tret ich wieder, Herr! in dein haus...

Lang war die reise, matt sind die glieder,
Leer sind die schreine, voll nur die qual.

Durstende zunge darbt nach dem weine.
Hart war gestritten, starr ist mein arm.

Gönne die ruhe schwankenden schritten,
Hungrigem gaume bröckle dein brot!

Schwach ist mein atem rufend dem traume,
Hohl sind die hände, fiebernd der mund.

Leih deine kühle, lösche die brände,
Tilge das hoffen, sende das licht!

Gluten im herzen lodern noch offen,
Innerst im grunde wacht noch ein schrei...

Töte das sehnen, schliesse die wunde!
Nimm mir die liebe, gib mir dein glück!


Entrückung
Ich fühle luft von anderem planeten.
Mir blassen durch das dunkel die gesichter
Die freundlich eben noch sich zu mir drehten.

Und bäum und wege die ich liebte fahlen
Dass ich sie kaum mehr kenne und du lichter
Geliebter schatten – rufer meiner qualen –

Bist nun erloschen ganz in tiefern gluten
Um nach dem taumel streitenden getobes
Mit einem frommen schauer anzumuten.

Ich löse mich in tönen, kreisend, webend,
Ungründigen danks und unbenamten lobes
Dem grossen atem wunschlos mich ergebend.

Mich überfährt ein ungestümes wehen
Im rausch der weihe wo inbrünstige schreie
In staub geworfner beterinnen flehen:

Dann seh ich wie sich duftige nebel lüpfen
In einer sonnerfüllten klaren freie
Die nur umfängt auf fernsten bergesschlüpfen.
Der boden schüttert weiss und weich wie molke.

Ich steige über schluchten ungeheuer,
Ich fühle wie ich über letzter wolke
In einem meer kristallnen glanzes schwimme –
Ich bin ein funke nur vom heiligen feuer
Ich bin ein dröhnen nur der heiligen stimme.

Text nach Vorlage:

Litanei
Tief ist die trauer
   die mich umdüstert,
Ein tret ich wieder
   Herr! In dein haus..

Lang war die reise,
   matt sind die glieder,
Leer sind die schreine,
   voll nur die qual.

Durstende zunge
   darbt nach dem weine.
Hart war gestritten,
   starr ist mein arm.

Gönne die ruhe
   schwankenden schritten,
Hungrigem gaume
   bröckle dein brot!

Schwach ist mein atem
   rufend dem traume,
Hohl sind die hände,
   fiebernd der mund..

Leih deine kühle,
   lösche die brände,
Tilge das hoffen,
   sende das licht!

Gluten im herzen
   lodern noch offen,
Innerst im grunde
   wacht noch ein schrei..

Töte das sehnen,
   schliesse die wunde!
Nimm mir die liebe,
   gieb mir dein glück!

(Stefan George: Der siebente Ring. Berlin: Blaetter für die Kunst 1907, S. 148-149)

 

Entrueckung
Ich fühle luft von anderem planeten.
Mir blassen durch das dunkel die gesichter
Die freundlich eben noch sich zu mir drehten.

Und bäum und wege die ich liebte fahlen
Dass ich sie kaum mehr kenne und Du lichter
Geliebter schatten - rufer meiner qualen -

Bist nun erloschen ganz in tiefern gluten
Um nach dem taumel streitenden getobes
Mit einem frommen schauer anzumuten.

Ich löse mich in tönen, kreisend, webend,
Ungründigen danks und unbenamten lobes
Dem grossen atem wunschlos mich ergebend.

Mich überfährt ein ungestümes wehen
Im rausch der weihe wo inbrünstige schreie
In staub geworfner beterinnen flehen:

Dann seh ich wie sich duftige nebel lüpfen
In einer sonnerfüllten klaren freie
Die nur umfängt auf fernsten bergesschlüpfen.

Der boden schüttert weiss und weich wie molke..
Ich steige über schluchten ungeheuer,
Ich fühle wie über lezter wolke

In einem meer kristallnen glanzes schwimme -
Ich bin ein funke nur vom heiligen feuer
Ich bin ein dröhnen nur der heiligen stimme.

(Stefan George: Der siebente Ring. Berlin: Blaetter für die Kunst 1907, S. 122-123)

 

beteiligte Personen: Stefan George (1868-1933) - Textautor(in)

Erstdruck: Universal-Edition A.G. Wien/Leipzig, 28.08.1929 (U.E.S. 33)
Gesamtausgabe: Reihe A, Bd. 9, Teil 1, S. 41-107; Reihe B, Bd. 9, S. 145, 168-214

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