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Orchesterwerke (Fragmente)
[GA A 9,1] Walzer für Streichorchester

Entstehungszeitraum: 1896-1897
Quellen:

Partiturniederschrift

Beschreibung:

Die drei frühen Kompositionen für Streichorchester – das Adagio („Notturno“) für Solo-Geige, Streichorchester und Harfe, ferner Gavotte und Musette (im alten Style) sowie die Walzer – entstanden vermutlich in den Jahren 1896 und 1897. Datiert ist allein die autographe Niederschrift (Quelle A) von Gavotte und Musette (22.3.[18]97), doch lassen sich auch die beiden anderen Stücke zeitlich annähernd einordnen. Beim Entstehungszeitpunkt des Adagios („Notturnos“) gibt es einen terminus post quem non, der sich aus der überlieferten Rezension in der Neuen musikalischen Presse vom 15. März 1896 ergibt. Demnach wurde das Stück am 2. März desselben Jahres in Wien erstmals aufgeführt. Für die Walzer kann das ungefähre Kompositionsdatum über das verwendete Notenpapier der einzigen überlieferten Quelle erschlossen werden. Da die Papiersorte (J. E. 18b2; vgl. die Quellenbeschreibung) mit derjenigen von Gavotte und Musette identisch ist, darf – unter der Voraussetzung, daß Schönberg das Papier nur über einen begrenzten Zeitraum verwendete - angenommen werden, daß beide Stücke ungefähr gleichzeitig entstanden sind. Wie bei sehr vielen vor 1900 entstandenen Werken Schönbergs ist über den Entstehungskontext der drei Streichorchesterstücke nichts Genaues bekannt. Zeitgenössische Dokumente, die sich unmittelbar auf diese Stücke beziehen, liegen mit Ausnahme der schon erwähnten Rezension nicht vor. Aber auch zum Umfeld sind nur spärlich zeitnahe Informationen überliefert, so daß man oft auf spätere Berichte angewiesen ist, die naturgemäß als nicht immer vollends zuverlässig eingeschätzt werden können.
In den Jahren 1896 und 1897 war Schönberg etwa 22 Jahre alt. 1895 hatte er seine Stelle bei der Privatbank Werner & Co verloren und daraufhin beschlossen, sich allein der Musik zu widmen. Seinen Lebensunterhalt bestritt Schönberg mit der Leitung mehrerer Chöre (Metallarbeiter-Sängerbund Stockerau, Gesangverein Freisinn, Männergesangverein Meidling), außerdem fertigte er Klavierauszüge an (so im Sommer 1897 den der Oper Sarema von Alexander von Zemlinsky). Komponiert hatte Schönberg bis 1895 vor allem Lieder (vgl. GA, Bd. 1/2 der Reihe B) sowie einige Stücke für kleinere Streicherbesetzung (vgl. GA, Bd. 22 der Reihe B).
Ähnlich wie bei vielen anderen frühen Stücken dürfte für die Wahl der Streichorchester-Besetzung zum Teil die konkrete Aussicht auf eine Aufführung eine wesentliche Rolle gespielt haben. Im Herbst 1895 hatte sich nämlich der „Musikalische Verein Polyhymnia“ gegründet, dessen Charakter von Schönbergs Mentor und Freund Alexander Zemlinsky 1934 rückblickend so beschrieben wurde:
"Es sind über 30 Jahre her, daß musikbegeisterte Studenten in Wien ein Amateurorchester gründeten, es stolz „ Polyhymnia “ benannten und mich zu ihrem Dirigenten wählten. Das Orchester war nicht groß. Ein paar Violinen, eine Bratsche, ein Cello und ein Contrabaß –eigentlich nur ein halber. Aber so unbescheiden wir sonst waren, mit unseren Leistungen waren wir sehr zufrieden. Wir waren alle musikhungrig und jung, und musizierten recht und schlecht, jede Woche einmal drauflos. Nun, solche Vereine hat es immer wieder gegeben; das war nichts Ungewöhnliches. Jedoch, an dem einzigen Cellopult saß ein junger Mann, der ebenso feurig wie falsch sein Instrument mißhandelte (das übrigens nicht Besseres verdiente – es war von seinem Spieler um sauer ersparte drei Gulden, am sogenannten Tandelmarkt in Wien gekauft) und dieser Cellospieler war niemand anderer als Arnold Schönberg. Damals war Schönberg noch ein kleiner Bankbeamter, der aber von diesem Beruf nicht allzuviel Gebrauch machte und seinen Musiknoten den Noten in seiner Bank den Vorzug gab. So lernte ich Schönberg kennen und bald entwickelte sich aus der Bekanntschaft eine intime Freundschaft. Wir zeigten uns gegenseitig unsere Arbeiten; Schönberg komponierte in jener Zeit schon alles Mögliche, wie Violinsonaten, Duette, Chöre für Arbeitervereine und hauptsächlich Lieder. Diese Kompositionen sind alle Manuskript geblieben, und ganz wenige Freunde haben sie kennen gelernt." (Alexander Zemlinsky: Jugenderinnerungen, in: Arnold Schönberg zum 60. Geburtstag, Wien 1934, S. 33–34.)
Gemäß den Forschungen von Ernst Hilmar (Ernst Hilmar, Zemlinsky und Schönberg, in: Alexander Zemlinsky. Tradition im Umkreis der Wiener Schule, hrsg. von Otto Kolleritsch, Graz 1976 [= Studien zur Wertungsforschung 7], S. 55–79) und Anthony Beaumont (Antony Beaumont, Alexander Zemlinsky. Biographie, aus dem Englischen von Dorothea Brinkmann, Wien 2005, S. 67 ff.) wurde das Polyhymnia-Orchester 1895 gegründet. Es probte an unterschiedlichen Orten im II. Bezirk und hatte am 30. November 1895 seinen ersten Auftritt; ein weiteres Konzert folgte am 2. März 1896. Danach scheint sich das Orchester recht bald wieder aufgelöst zu haben. Wie aus dem Manuskript von Schönbergs bei dem zweiten Konzert aufgeführten Adagio („Notturno “) hervorgeht, muss das Orchester zu diesem Zeitpunkt allerdings eine deutlich größere Besetzung als die von Zemlinsky oben Geschilderte aufgewiesen haben. Zum einen sind sowohl die Bratschen als auch die Violoncelli geteilt, zum anderen sind in der ersten Akkolade jedem System eine Ziffer vorangestellt (von oben nach unten: 5,4,3,2,1,1; vgl. die Quellenbeschreibung), die vermutlich als Anweisung an den Kopisten zu verstehen ist, wie viele Exemplare einer Stimme jeweils auszuschreiben waren. Demnach dürften etwa 30 Musiker mitgespielt haben. Ist für dieses Adagio („Notturno“) eine Aufführung durch das Orchester Polyhymnia aufgrund der Rezension in der Neuen musikalischen Presse also verbürgt (Stimmen sind allerdings nicht überliefert), so ist die Bestimmung der anderen beiden Stücke, von denen Gavotte und Musette nachweislich etwa ein Jahr später entstanden ist, nicht klar.
Der Kompositionszeitpunkt März 1897, der aufgrund der Datierung in Quelle A für Gavotte und Musette sicher feststeht, liegt nach der mutmaßlichen Auflösung des Orchesters. Da in dieser Quelle auch Zemlinskys Handschrift zu erkennen ist, könnte die Entstehung des Stücks mit einem anderen Feld der gemeinsamen Arbeit von Schönberg und Zemlinsky Zusammenhängen. Wie durch Egon Wellesz in seiner Schönberg-Biographie aus dem Jahre 1921 überliefert wird, erkannte Zemlinsky Schönbergs Talent in den vorgelegten Arbeiten und erklärte sich bereit, Schönberg im Kontrapunkt zu unterrichten. So gab er ihm einige Monate hindurch, solange es seine Zeit gestattete, geregelten Unterricht; den einzigen, den Schönberg genossen hat (Egon Wellesz, Arnold Schönberg, Leipzig 1921, S. 18). Zwar macht Wellesz über den Zeitpunkt dieses Unterrichts keine Mitteilung, doch wird durch zwei Momente nahegelegt, dass Gavotte und Musette mit diesem Unterricht Zusammenhängen: Erstens handelt es sich bei Gavotte und Musette um ein Stück, in dem vor allem kontrapunktische Techniken wie Imitation und Engführung erprobt werden und somit jenes Feld der Kompositionstechmk bearbeitet wurde, das auch in Wellesz’ Bericht ausdrücklich hervorgehoben ist. Zweitens - und wichtiger - ist jedoch die Tatsache, dass sich in Quelle A Eintragungen respektive Korrekturen von Zemlinskys Hand finden, die auf eine Unterrichtssituation zurückgehen könnten und Schönberg dann zur Umarbeitung einiger Passagen veranlassten (vgl. oben die Beschreibungen der Quellen A und B; ähnliche durch Zemlinskys Kritik angestoßene Umarbeitungen sind von Schönbergs frühem D-Dur-Streichquartett sowie von Verklärte Nacht bekannt, vgl. GA, Bd. 20 der Reihen A und B, sowie Bd. 22 der Reihe B). Ob schließlich die Walzer vielleicht noch während des Bestehens der Polyhymnia für ein weiteres Konzert komponiert wurden (und die aufgegebene Fertigstellung mit der Auflösung der Orchestervereinigung zusammenhängt) oder aber ein anderer Entstehungsanlaß vorliegt, läßt sich nach dem bisherigen Forschungsstand nicht entscheiden. Auf die Streichorchesterbesetzung ist Schönberg nach 1897 vorerst nicht wieder zurückgekommen.. Die weitere kompositorische Entwicklung verzweigte sich stattdessen in zwei Richtungen: Zum einen hatte Schönberg sich bereits mit der Serenade für kleines Orchester (September bis November 1.896) nun einer größeren Besetzung zugewandt, um bald darauf auch für die große Orchesterbesetzung zu komponieren. Zum anderen wandte er sich in den nächsten Jahren den. klassischen kammermusikalischen Gattungen des Streichquartetts und Streichsextetts zu. Von hier aus führte später dann aber ein Weg zur Streichorchesterbesetzung zurück. (Albrecht-Hohmaier, Martin; Scheideler, Ullrich: GA, Reihe B, Bd. 9, S. 460-461)

Überliefert ist eine autographe Partiturreinschrift. (Albrecht-Hohmaier, Martin; Scheideler, Ullrich: GA, Reihe B, Bd. 9, S. 427)

Gattung: Orchesterwerke --> Werke für Streichorchester (Fragmente)

Erstdruck: GA, Reihe A, Bd. 9, S. 125-149
Gesamtausgabe: Reihe A, Bd. 9, S. 125-149; Reihe B, Bd. 9, S. 427-459

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