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Streichquartett Nr. 2
B. Einrichtung für Streichorchester (1919)

Opus: op. 10
Entstehungszeitraum: 1919
Quellen:

Handexemplar der 3. Ausgabe des Partiturerstdrucks Ec der Quartettfassung
Weitere Quellen:

Handexemplar von insgesamt vier Stimmsätzen der Stimmen F der Quartettfassung

Kontrabaßstimme

Handexemplar der 1. Ausgabe des Partiturerstdrucks Ea der Quartettfassung mit Eintragungen zur Einrich­tung für Streichorchester

Beschreibung:

Vorbemerkung:
Neben dem Kritischen Bericht zur Fassung des II. Streichquartetts von 1929, deren Notentext zu Schönbergs Lebzeiten veröffentlicht worden war und im Rahmen des Bandes 9, [Teil] 1 der Reihe A dargeboten wurde, enthält der vorliegende Band [= Reihe B, Bd. 9] auch eine Dokumentationvon Schönbergs erster Einrichtung von 1919. Die Werkgestalt dieser früheren Einrichtung, die sich in vielen Details von der späteren unterscheidet, kann jedoch nur annäherungsweise rekonstruiert werden. Zwar sind die bei der Aufführung am 3. Juni 1919 verwendeten Stimmen zum Teil überliefert, doch bleibt die Aufführungsfassung aus zwei Gründen fraglich: Erstens ist keine Kontrabaßstimme erhalten, zweitens existiert eine weitere Partitur, deren Bezug zur Aufführung ungeklärt ist. Die Einrichtung aus dem Jahr 1919 ist daher nicht als Notentext, sondern nur in Form von Lesartenlisten hier wiedergegeben. (Albrecht-Hohmeier, Martin; Scheideler, Ullrich: GA, Reihe B, Bd. 9, S.VII-VIII)

Die erste, im Jahre 1919 vorgenommene Einrichtung entstand für eine Reihe von Konzerten, deren Durchführung das Wiener Konzerthaus in der Person von Hugo Botstiber dem Komponisten zu Beginn des Jahres 1919 angeboten hatte. Ein erster überlieferter kurzer Brief ist datiert vom 14. Januar 1919. In ihm teilte Botstiber dem Komponisten mit, das man am 24. Februar ein Konzert plane, in dem die Kammersymphonie op. 9 sowie einige Lieder mit Schönberg als Dirigent zur Aufführung gelangen sollten. Am 21. Januar - Schönberg hatte auf den ersten Brief noch nicht reagiert - folgte neben der Aufforderung, Botstiber doch eine Antwort zukommen zu lassen, die Mitteilung, das man auch die Gurre-Lieder im Mai zur Aufführung bringen wolle. Schönbergs wohl kurz darauf erfolgte Antwort ist nicht überliefert, doch muß sie auch kritische Bemerkungen enthalten haben. Jedenfalls ist in Botstibers nächstem Brief vom 27. Januar zwar von den Gurre-Liedern, von einem  Orchesterkonzert mit Pelleas und Melisande sowie von den Orchesterliedern die Rede, nicht jedoch von dem ursprünglichen Plan, die Kammersymphonie op. 9 aufzuführen. Botstiber setzte an das Ende des Briefes die Bitte um eine mündliche Unterredung, zu der es allem Anschein nach auch kurze Zeit später gekommen ist. Das Ergebnis war - neben der ins Auge gefaßten Aufführung der Gurre-Lieder und einer zu veranstaltenden „Schönberg-Woche" - ein für den 26. Marz geplantes Konzert, in dem Streichorchesterwerke Schönbergs gespielt werden sollten. Neben Verklärte Nacht op. 4, das 1916 in einer Fassung für Streichorchester erstmals aufgeführt worden und 1917 bei der Universal-Edition in einer Druckausgabe erschienen war, mußte noch ein zweites Werk treten. Schönberg entschied sich für das II. Streichquartett op. 10, das er zwischen Februar und Anfang März 1919 eingerichtet haben muß. Dafür nahm er eine Partitur der 3. Ausgabe des Erstdruckes (Quelle I) sowie vier Stimmensätze der Quartettstimmen (Quelle K) und versah diese mit einigen wenigen Eintragungen. Weitere Eintragungen wurden offensichtlich während der Proben vorgenommen.
Die Proben begannen am 12. Marz, also genau 14 Tage vor dem anvisierten Konzerttermin. Offensichtlich verliefen sie jedoch wenig zufriedenstellend, so daß Schönberg am 13. März einen Brief an Botstiber verfaßte, in dem er die Absage des Konzerts oder alternativ ein Engagement der Philharmoniker forderte. Nachdem weitere Schwierigkeiten mit der Probenplanung eingetreten waren, schlug Botstiber am 17. März vor, das Konzert erst einmal abzusagen und an einem späteren Termin (1. April) nachzuholen, dabei aber das Programm so zu verändern, das es weitgehend der ursprünglichen Planung entsprach. Außerdem stellte er ein Orchesterkonzert für Ende April oder Anfang Mai in Aussicht, in dem Pelleas und Melisande sowie Opus 10 in der  Streichorchesterbesetzung aufgeführt werden sollte. Zu einer Realisierung des Vorschlags, am 1. April die Kammersymphonie op. 9, einige Lieder und Verklärte Nacht in der Sextettfassung aufzuführen, kam es jedoch aus unbekannten Gründen nicht. Statt dessen wurden am 26. März und 1. April nur die Kammersymphonie op. 9 sowie einige Lieder aus den Opera 3 und 6 gegeben, wobei die Kammersymphonie zweimal gespielt wurde und sowohl am Beginn als auch am Ende des Konzertabends stand. Schönberg nahm zudem das Angebot eines zweiten Konzerts an, hielt aber an der Idee fest, hier die Streichorchesterbearbeitungen von Opus 4 und Opus 10 aufzuführen. Über die Proben gibt es keine direkten Zeugnisse, ein Beleg dafür, das sie wohl weitgehend reibungslos verliefen. Allerdings bemerkte Schönberg ein knappes Jahr später gegenüber Alexander Zemlinsky, dass die Einstudierung des II. Quartetts geringe 10-15 Proben erfordere.
Sowohl in einem Brief vom 28. Mai 1919 an Arnold Rosé, den Primarius des Rosé-Quartetts, das die Uraufführungen der Verklärten Nacht und des II. Quartetts gespielt hatte, als auch in einer Programmnotiz  gab Schönberg eine kurze Begründung für die Umarbeitung eines kammermusikalischen Werks zu einer Komposition für Streichorchester. Entscheidender Faktor war für ihn die Größe des Aufführungsortes. So heißt es in dem Brief an Rosé Kammermusik für 50 Leute im Zimmer, für mehr als 50 aber in orchestermäßiger Besetzung. Zugleich verkannte Schönberg nicht die Nachteile einer solchen Realisierung, die er gegenüber Rosé als Experiment bezeichnete, das sich in keiner Weise mit Aufführungen in der Originalbesetzung messen lassen könne. In der Programmnotiz bestimmte er die Momente noch präziser: Es fehle in der Besetzung für Streichorchester der solistische Klang und die Bewegungsfreiheit.
Wie sich an den Quellen I und K ablesen last, hatte Schönberg nur recht zurückhaltend in den originalen Notentext eingegriffen. Dabei folgen die Eintragungen zwei unterschiedlichen Zielen, die unabhängig voneinander gedacht werden müssen. Der erste Strang der Eingriffe hatte gar nichts mit der Streichorchesterbesetzung zu tun, sondern steht in Zusammenhang mit der Herausgabe einer revidierten Studienpartitur des Quartetts (Quelle Ga), die zwar erst 1920 erschien, aber schon 1919 vorbereitet worden war. Schönberg übertrug nun einige Neuerungen bzw. Änderungen dieser Quelle in seine für die Einrichtung für Streichorchester verwendete Partitur, die ja noch den älteren unrevidierten Notentext enthielt.
Dazu gehören etwa die Metronomangaben im 1. Satz in den Takten 1, 8 und 12 oder die Dynamikangabe in den Takten 63 ff. Ein Großteil der Eintragungen war jedoch im Hinblick auf die neue Besetzung vorgenommen worden. Schönberg ergänzte oder veränderte dabei die Dynamik, wobei oft zu extremeren Angaben korrigiert wurde (z.B. p zu pp , f zu ff ). Außerdem gibt es einige wenige Änderungen des Tempos und der Agogik sowie der Phrasierung. Im 4. Satz wurde schließlich in den Takten 1-15 der 4/4-Takt in je zwei 4/8-Takte unterteilt. Sowohl in der Partitur I als auch den Stimmen K fehlen jedoch zwei Momente, die bei einer Einrichtung für Streichorchester zu erwarten waren: Es gibt weder eine Unterteilung in Solo und Tutti noch Einzeichnungen für eine Kontrabasstimme. Über den Erfolg der Uraufführung vom 3. Juni 1919 liegen kaum Informationen vor. Eine Besprechung in einer Wiener Zeitung scheint nicht erschienen zu sein, und auch von Schönberg ist kein Kommentar überliefert. Allein Anton Webern berichtet an Heinrich Jalowetz knapp: herrliches Schönberg-Konzert [...]. Sextett u. II. Quartett. Im Unterschied zu Opus 4, dessen Einrichtung für Streichorchester Schönberg schon bald nach ihrer Entstehung hatte publizieren lassen, scheint der Komponist keine Anstrengung unternommen zu haben, auch eine Drucklegung der Einrichtung des II. Quartetts zu erreichen. Ja es erscheint fraglich, ob Schönberg das Werk überhaupt noch einmal in dieser Gestalt hat aufführen lassen (die für die Uraufführung verwendeten Stimmen sowie die Partitur sind sicher in Schönbergs Besitz verblieben). (Albrecht-Hohmeier, Martin; Scheideler, Ullrich: GA, Reihe B, Bd. 9, S. 209-210)

Zur 1919 erstellten Einrichtung des Werks für Streichorchester liegen zwei Quellen vor: ein Handexemplar der 1915 erschienenen 3. Ausgabe des Partiturerstdrucks Ec der Quartettfassung (I) sowie ein Handexemplar von insgesamt vier Stimmsätzen der Stimmen F der Quaretttfassung (K). (Albrecht-Hohmeier, Martin; Scheideler, Ullrich: GA, Reihe B, Bd. 9, S. 145)

Besetzung: Solo vokal, Streichorchester
Gattung: Kammermusik --> Melodramen und Lieder mit Instrumenten
Orchesterwerke --> Werke für Streichorchester
Text:

Text nach GA:

Litanei
Tief ist die trauer, die mich umdüstert,
Ein tret ich wieder, Herr! in dein haus...

Lang war die reise, matt sind die glieder,
Leer sind die schreine, voll nur die qual.

Durstende zunge darbt nach dem weine.
Hart war gestritten, starr ist mein arm.

Gönne die ruhe schwankenden schritten,
Hungrigem gaume bröckle dein brot!

Schwach ist mein atem rufend dem traume,
Hohl sind die hände, fiebernd der mund.

Leih deine kühle, lösche die brände,
Tilge das hoffen, sende das licht!

Gluten im herzen lodern noch offen,
Innerst im grunde wacht noch ein schrei...

Töte das sehnen, schliesse die wunde!
Nimm mir die liebe, gib mir dein glück!


Entrückung
Ich fühle luft von anderem planeten.
Mir blassen durch das dunkel die gesichter
Die freundlich eben noch sich zu mir drehten.

Und bäum und wege die ich liebte fahlen
Dass ich sie kaum mehr kenne und du lichter
Geliebter schatten – rufer meiner qualen –

Bist nun erloschen ganz in tiefern gluten
Um nach dem taumel streitenden getobes
Mit einem frommen schauer anzumuten.

Ich löse mich in tönen, kreisend, webend,
Ungründigen danks und unbenamten lobes
Dem grossen atem wunschlos mich ergebend.

Mich überfährt ein ungestümes wehen
Im rausch der weihe wo inbrünstige schreie
In staub geworfner beterinnen flehen:

Dann seh ich wie sich duftige nebel lüpfen
In einer sonnerfüllten klaren freie
Die nur umfängt auf fernsten bergesschlüpfen.
Der boden schüttert weiss und weich wie molke.

Ich steige über schluchten ungeheuer,
Ich fühle wie ich über letzter wolke
In einem meer kristallnen glanzes schwimme –
Ich bin ein funke nur vom heiligen feuer
Ich bin ein dröhnen nur der heiligen stimme.

Text nach Vorlage:

Litanei
Tief ist die trauer
   die mich umdüstert,
Ein tret ich wieder
   Herr! In dein haus..

Lang war die reise,
   matt sind die glieder,
Leer sind die schreine,
   voll nur die qual.

Durstende zunge
   darbt nach dem weine.
Hart war gestritten,
   starr ist mein arm.

Gönne die ruhe
   schwankenden schritten,
Hungrigem gaume
   bröckle dein brot!

Schwach ist mein atem
   rufend dem traume,
Hohl sind die hände,
   fiebernd der mund..

Leih deine kühle,
   lösche die brände,
Tilge das hoffen,
   sende das licht!

Gluten im herzen
   lodern noch offen,
Innerst im grunde
   wacht noch ein schrei..

Töte das sehnen,
   schliesse die wunde!
Nimm mir die liebe,
   gieb mir dein glück!

(Stefan George: Der siebente Ring. Berlin: Blaetter für die Kunst 1907, S. 148-149)

 

Entrueckung
Ich fühle luft von anderem planeten.
Mir blassen durch das dunkel die gesichter
Die freundlich eben noch sich zu mir drehten.

Und bäum und wege die ich liebte fahlen
Dass ich sie kaum mehr kenne und Du lichter
Geliebter schatten - rufer meiner qualen -

Bist nun erloschen ganz in tiefern gluten
Um nach dem taumel streitenden getobes
Mit einem frommen schauer anzumuten.

Ich löse mich in tönen, kreisend, webend,
Ungründigen danks und unbenamten lobes
Dem grossen atem wunschlos mich ergebend.

Mich überfährt ein ungestümes wehen
Im rausch der weihe wo inbrünstige schreie
In staub geworfner beterinnen flehen:

Dann seh ich wie sich duftige nebel lüpfen
In einer sonnerfüllten klaren freie
Die nur umfängt auf fernsten bergesschlüpfen.

Der boden schüttert weiss und weich wie molke..
Ich steige über schluchten ungeheuer,
Ich fühle wie über lezter wolke

In einem meer kristallnen glanzes schwimme -
Ich bin ein funke nur vom heiligen feuer
Ich bin ein dröhnen nur der heiligen stimme.

(Stefan George: Der siebente Ring. Berlin: Blaetter für die Kunst 1907, S. 122-123)

 

beteiligte Personen: Stefan George (1868-1933) - Textautor(in)

Gesamtausgabe: Reihe B, Bd. 9, S. 145-168

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