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Verklärte Nacht
B. Einrichtung für Streichorchester (1917)

Opus: op. 4
Entstehungszeitraum: 1917
Quellen:

Textquelle

Schönbergs Handexemplar von K
Weitere Quellen:

Handexemplar des Erstdrucks der Partitur E der Sextettfassung mit Anweisungen zur Einrichtung für Streichorchester, Stichvorlage für K

Handexemplar des Erstdrucks der Stimmen F der Sextettfassung mit Anweisungen zur Einrichtung für Streichorchester sowie Kontrabaßstimme, Stichvorlage für L

Korrekturabzüge für den Erstdruck der Partitur

Erstdruck der Partitur der Streichorchesterfassung, Druck einer Kopistenautographie

Erstdruck der Stimmen. Druck einer Kopistenautographie

Stimmendruck, spätere Auflagen

Stimmendruck der I.Geige, Druck einer Kopistenautographie, spätere Auflage

Stimmendruck der I.Geige, Multilith-Druck, Auflage aus dem Jahre 1949

Stimmendruck der I.Geige, Multilith-Druck. Auflage aus dem Jahre 1949

Stimmendruck der II.Geige, Multilith-Druck, vermutlich Auflage aus dem Jahre 1930

Stimmendruck des II. Violoncellos, Multilith-Druck, vermutlich Auflage aus dem Jahr 1938

Beschreibung:
Die ersten (brieflichen) Zeugnisse, in denen eine Einrichtung von Verklärte Nacht für Streichorchester erwähnt wird, stammen vom Herbst 1916 aus dem unmittelbaren Vorfeld der Uraufführung. Spätestens Anfang November muß festgestanden haben, daß die Uraufführung Ende November 1916 in Prag unter der Leitung von Alexander Zemlinsky stattfinden sollte, und daß Schönberg (mit der Familie) aus diesem Anlaß nach Prag reisen würde. Unbekannt ist indes, wann und aus welchem Grund Schönberg eine Einrichtung des Streichsextetts vornahm, ob also er selbst oder aber Zemlinsky eine derartige Bearbeitung vorgeschlagen hatte, und ob damit von vornherein beabsichtigt war, vor allem eine größere Verbreitung des Werks zu erreichen (vgl. hierzu Hertzkas Brief vom 1. Dezember 1916). Unklar ist auch, ob der Plan erst im Herbst 1916 aufkam und unmittelbar danach in die Tat umgesetzt wurde (sich möglicherweise einem konkreten Aufführungsplan verdankt), oder aber schon länger ins Auge gefaßt worden war. Die Tatsache, daß für die Aufführung vom Verlag eingerichtetes Stimmenmaterial verwendet wurde – es ist allerdings nicht bekannt, welcher Art diese Einrichtung gewesen ist – deutet jedoch daraufhin, daß zumindest eine Drucklegung dieser neuen Fassung von Beginn an einkalkuliert wurde. Sowohl aus den Briefen des Kreises um Schönberg und einer Konzertkritik, als auch aus zwei eigenhändigen Schreiben Schönbergs geht hervor, daß die Uraufführung, die am 29. November 1916 in Prag stattfand, ein großer Erfolg gewesen war. An Zemlinsky schrieb der Komponist einen überschwenglichen Dankesbrief, und in einem Brief an Hermann Kutzschbach vom 4. Dezember 1916 bekundete Schönberg, er sei mit der Wirkung des Sextetts äußerst zufrieden gewesen. Schönberg betonte hier, daß alles prachtvoll schön geklungen und an Klarheit und Präcision gewonnen habe. Zugleich teilte er mit, daß ursprünglich eine gründlichere Umarbeitung geplant gewesen sei, wovon er jedoch nun angesichts des Erfolgs der Aufführung absehen werde. In der Tat beschränkten sich die Änderungen gegenüber der Sextettfassung auf einige wenige Retuschen der Dynamik und Artikulation sowie eine zusätzliche Kontrabaßstimme, während der Tonsatz selbst nicht angetastet wurde. 
Über die Drucklegung, die Emil Hertzka von der Universal-Edition schon am 1. Dezember 1916 raschest veranlassen wollte, sind nur einige wenige Dokumente überliefert. Demnach war im März 1917 eine Probeseite der nicht gestochenen, sondern als Autographie veröffentlichten Partitur Schönberg zur Ansicht vorgelegt worden. Vier Monate später, am 18. Juli 1917, ist die Partitur dann erschienen. Die Stimmen folgten einen guten Monat später am 29. August 1917. Daß dieser Einrichtung für Streichorchester ein großer Erfolg beschieden war, geht auch aus den Nachauflagen hervor. Von der Partitur wurde am 8. Februar 1921 eine zweite Auflage veröffentlicht, die nun, anders als die erste Auflage, von der 100 Exemplare gedruckt worden waren, in einer Auflagenhöhe von 200 Exemplaren erschien. Die Stimmen wurden zu unterschiedlichen Zeiten zwischen 1921 und 1938 (in zwei Fällen auch noch 1949) nachgedruckt (vgl. die Angaben zur Quelle M). Im Unterschied zur Partitur, bei der die zweite Auflage keine Änderungen aufweist, sind in späteren Auflagen der Stimmen Revisionen vorgenommen worden, von denen jedoch nicht bekannt ist, inwiefern Schönberg an ihnen beteiligt gewesen ist.
Mit dem Erscheinen von Partitur und Stimmen im Sommer 1917 war die Grundlage für weitere Aufführungen gelegt, die bereits in den Jahren unmittelbar nach dem Ende des I. Weltkriegs in rascher Folge stattfanden. Bekannt sind Aufführungen unter Arthur Nikisch in Leipzig (am 14. März 1918 und somit noch vor der Beendigung des Krieges), unter Wilhelm Furtwängler (in Mannheim, Frankfurt/Main und Wien), Willem Mengelberg und Hermann Scherchen. Auch Schönberg selbst hat im Juni 1919 in Wien und 1920 in Rotterdam die Einrichtung für Streichorchester dirigiert. Wie vergleichsweise populär das Werk um die Mitte der 20er Jahre geworden war, geht aus zwei Schreiben der Universal-Edition hervor. So sandte Erwin Stein am 14. Juni 1926 eine Liste der geplanten Aufführungen Schönbergscher Werke in der Saison [19]26/27 an den Komponisten, aus der hervorgeht, daß Opus 4 in Berlin, Breslau, Karlsruhe, Luzern, Utrecht, Wien, Winterthur, Würzburg, Reichenberg, Paris und Mannheim gespielt werden sollte. Eine analoge Liste existiert aus dem Oktober 1928 (vgl. Dok. 53), in der für Verklärte Nacht Aufführungen in Buenos Aires, Antwerpen, Stuttgart, Königsberg, Berlin, Hamborn, Stockholm, Köln, Prag, Halle und Lemberg verzeichnet sind. Auch eine Einspielung auf Schallplatte mit der Staatskapelle Berlin unter der Leitung Schönbergs wurde im Herbst 1929 in Angriff genommen. Die Aufnahme wurde jedoch nicht fertig gestellt und ist im Handel nicht erschienen, was eine längere briefliche Auseinandersetzung zwischen Schönberg und der Plattengesellschaft, der Deutschen Ultraphon Gesellschaft nach sich zog. Mit der sogenannten „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten zu Beginn des Jahres 1933, die Schönbergs Emigration nach Amerika zur Folge hatte, fielen nicht nur Aufführungen in Deutschland und bald schon anderen europäischen Ländern fort. Zugleich stellte sich für die Streichorchesterbearbeitung von Verklärte Nacht auch die Frage des Copyrights neu. (Albrecht-Hohmaier, Martin; Scheideler, Ullrich: GA, Reihe B, Bd. 9, S. 77-78)

Schönberg hat das Streichsextett Verklärte Nacht zweimal für Streichorchester eingerichtet. Eine erste Fassung stammt aus dem Jahr 1916/17, eine zweite Fassung hat der Komponist im wesentlichen wohl zu Beginn des Jahres 1943 erstellt. Zur Sextettfassung, die in Band 22 der Reihe A veröffentlicht ist, sind folgende Quellen überliefert: Skizzen (A), eine autographe Niederschrift der Partitur (B), die zahlreiche Korrekturen und gestrichene Takte aufweist, ferner der 1905 im Dreililienverlag erschienene Erstdruck der Partitur (E), von dem auch zwei Handexemplare (E1, E2) bekannt sind, sowie die Ausgabe der Stimmen (F). Verschollen sind hingegen die bei der Uraufführung (1902) verwendeten Stimmen (C*) sowie eine Partiturabschrift (D*), die als Stichvorlage für den Erstdruck diente. Diese Quellen sind in Band 22 der Reihe B näher beschrieben.
Zur 1917 veröffentlichten Fassung des Werks für Streichorchester sind die folgenden Quellen bekannt: Bei der heute verschollenen Partitur (G*) der Sextettfassung handelt es sich vermutlich um ein Exemplar von E, in das Schönberg die wenigen Änderungen sowie die Kontrabaßstimme eingetragen haben dürfte, und der darüber hinaus vielleicht noch einige Zettel für die wenigen grundlegenderen Änderungen beigelegen haben. Nicht erhalten sind auch die gemäß G* eingerichteten Stimmen (H*), die bei der Uraufführung dieser Streichorchesterfassung verwendet wurden, sowie die Korrekturabzüge (I*) für die Erstausgabe des Partiturdrucks (K), der im Juli 1917 erschien. Von diesem Druck ist auch ein Handexemplar (K1) überliefert, das Schönberg als Dirigierpartitur verwendet und mit einer Reihe von Eintragungen versehen hat. Der Erstdruck der Stimmen (L) wurde als Druck einer Kopistenautographie vervielfältigt (mit Ausnahme des Kontrabaß). Von den zu Schönbergs Lebzeiten erschienenen Neuauflagen der Stimmen sind nur vereinzelte Exemplare überliefert. Sie sind unter dem Quellensigel M zusammengefaßt: zwei unterschiedliche Auflagen der I. Geige, je eine spätere Auflage der II. Geige sowie des II. Violoncellos. (Albrecht-Hohmaier, Martin; Scheideler, Ullrich: GA, Reihe B, Bd. 9, S. 1)
Besetzung: Streichorchester
Gattung: Orchesterwerke --> Werke für Streichorchester
Text:

Text nach GA:

Zwei Menschen gehn durch kahlen, kalten Hain;
der Mond läuft mit, sie schaun hinein.
Der Mond läuft über hohe Eichen;
kein Wölkchen trübt das Himmelslicht,
in das die schwarzen Zacken reichen.
Die Stimme eines Weibes spricht:

Ich trag ein Kind, und nit von Dir,
ich geh in Sünde neben Dir.
Ich hab mich schwer an mir vergangen.
Ich glaubte nicht mehr an ein Glück
und hatte doch ein schwer Verlangen
nach Lebensinhalt, nach Mutterglück
und Pflicht; da hab ich mich erfrecht,
da ließ ich schaudernd mein Geschlecht
von einem fremden Mann umfangen,
und hab mich noch dafür gesegnet.
Nun hat das Leben sich gerächt:
nun bin ich Dir, o Dir, begegnet.

Sie geht mit ungelenkem Schritt.
Sie schaut empor; der Mond läuft mit.
Ihr dunkler Blick ertrinkt in Licht.
Die Stimme eines Mannes spricht:

Das Kind, das Du empfangen hast,
sei Deiner Seele keine Last,
o sieh, wie klar das Weltall schimmert!
Es ist ein Glanz um alles her;
Du treibst mit mir auf kaltem Meer,
doch eine eigne Wärme flimmert
von Dir in mich, von mir in Dich.
Die wird das fremde Kind verklären,
Du wirst es mir, von mir gebären;
Du hast den Glanz in mich gebracht,
Du hast mich selbst zum Kind gemacht.

Er faßt sie um die starken Hüften.
Ihr Atem küßt sich in den Lüften.
Zwei Menschen gehn durch hohe, helle Nacht.

Text nach Vorlage:

Verklärte Nacht.
Zwei Menschen gehen durch kahlen, kalten Hain;
der Mond läuft mit, sie schaun hinein.
Der Mond läuft über hohe Eichen,
kein Wölkchen trübt das Himmelslicht,
in das die schwarzen Zacken reichen.
Die Stimme eines Weibes spricht:

Ich trag ein Kind, und nit von dir,
ich geh in Sünde neben dir.
Ich hab mich schwer an mir vergangen;
ich glaubte nicht mehr an ein Glück
und hatte doch ein schwer Verlagen
nach Lebensfrucht, nach Mutterglück
und Pflicht - da hab ich mich erfrecht,
da ließ ich schaudernd mein Geschlecht
von einem fremden Mann umfangen
und hab mich noch dafür gesegnet.
Nun hat das Leben sich gerächt
nun bin ich dir, o dir begegnet.

Sie geht mit ungelenkem Schritt,
sie schaut empor, der Mond läuft mit;
ihr dunkler Blick ertrinkt in Licht.
Die Stimme eines Mannes spricht:

Das Kind, das du empfangen hast,
sei deiner Seele keine Last,
o sieh, wie klar das Weltall schimmert!
Es ist ein Glanz um Alles her,
du treibst mit mir auf kaltem Meer,
doch eine eigne Wärme flimmert
von dir in mich, von mir in dich;
die wird das fremde Kind verklären,
du wirst es mir, von mir gebären,
du hast den Glanz in mich gebracht,
du hast mich selbst zum Kind gemacht.

Er fasst sie um die starken Hüften,
ihr Atem mischt sich in den Lüften,
zwei Menschen gehen durch hohe, helle Nacht.

(Weib und Welt. Gedichte von Richard Dehmel / mit einem Sinnbild. Berlin: Verlag von Schuster u. Loeffler 1896, S. 61-63)

beteiligte Personen: Richard Dehmel (1863-1920) - Textautor(in)

Erstdruck: Universal-Edition A.G. Wien/Leipzig, 18.07.1917 (U.E. 6065)
Gesamtausgabe: Reihe A, Bd. 9, Teil 1, S. 1-39; Reihe B, Bd. 9, S. 1-144