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Syrische Tänze von Heinrich Schenker [verschollen]

Entstehungszeitraum: 09.1903-10.1903
Uraufführung: 5. November 1903, Berlin (Ferruccio Busoni)

Beschreibung:

Künstlerisch bedeutsam dürfte für Schönberg eine Instrumentation gewesen sein, die nachweislich ins Jahr 1903 fällt, die von vier Syrischen Tänzen des später als Theoretiker zu Ansehen gekommenen Heinrich Schenker. Sie wurde von Ferruccio Busoni veranlaßt - Busoni schätzte die (frühen) Kompositionen Schenkers und wollte also eines seiner Werke in seinen Berliner Konzerten aufführen. Er schätzte auch den ihm persönlich noch unbekannten Schönberg, dem er auf diese Weise sowohl ein Honorar als auch eine Aufführung zu vermitteln suchte. Zunächst (am 8. August 1903) fragte Busoni bei Schenker [Hellmut Federhofer: Heinrich Schenkers Verhältnis zu Arnold Schönberg, in: Anzeiger der phil.hist. Klasse der Österreich. Akademie der Wiss. 118 (1981), S. 369-390, Sonderdruck 23 (= Mitteilungen der Kommission für Musikforschung 23), S. 371] an, ob er mit der Aufführung einer orchestrierten Auswahl der Syrischen Tänze, die bereits 1899 für Klavier zu vier Händen (bei Schlesinger) erschienen war [Hofmeister 12, S. 799], einverstanden sei. Schenker war wohl einverstanden, denn in seinem Brief vom 3. September stellt Busoni einige Fragen.

„Ich lasse Ihnen die Wahl, in welcher Instrumentirung Ihre ,Taenze‘ erklingen sollen, nur: darf ich mir erlauben Sie auf Folgendes aufmerksam zu machen?
1) Wenn Sie mit Schönberg's Orchestrirung als Componist ganz einverstanden sein sollten, so haben Sie Ihre reizvollen Stücke im angemessenen Gewande bereits vorhanden, u. Sie ersparen sich eine Arbeit.
2) Wir schaffen Schönberg eine Gelegenheit, auch seinen Namen auf das Programm zu bringen.
3) Wenn der voraussichtliche Erfolg eintrifft, so wirkt er auf Ihre übrigen Werke über u. Sie koennen von diesen einen pecuniaeren Gewinn erringen. Ich überlasse Ihnen sowohl die Entscheidung, als die etwaigen Vereinbarungen mit Schönberg; nur bitte ich um baldigste Mittheilung der ersteren u. um präcise Einsendung des Materials zum Concerte des 19. October.
Noch einen Vorschlag: Wollen Sie nicht das Kind beim rechten Namen nennen u. Ihre Tanzserie einfach ,Jüdische Tanzweisen‘ benennen? Die Wirkung würde nur erhöht. - Ob wir sie v o l l s t a e n d ig bringen sollen, bleibt noch zu erwägen.
Ich danke Ihnen für Ihre Bereitwilligkeit u. Ihr Vertrauen u. grüsse Sie freundlichst
Ihr ergebener
Ferruccio Busoni
[Federhofer 1. c., S. 371 ff ]

Die Fragen hat Schenker beantwortet, den Vorschlägen Busonis hat er selbstverständlich zugestimmt. Nicht so allerdings Busonis Wunsch, die Tänze in ,Jüdische Tanzweisen‘ umzubenennen. Am 12. September meldet sich Schönberg aus Payerbach bei Schenker:
Lieber Herr Doctor, ich habe doch jetzt schon angefangen, Ihre ,Syrier‘ zu instrumentieren, und es war gut, denn es ist leicht möglich, daß ich länger dazu brauche, als ich zuerst glaubte. Heute habe ich den ersten Tanz fertiggemacht. Wann das Ganze fertig ist, weiß ich jetzt noch nicht, doch glaube ich kaum, daß es vor Ende nächster Woche fertig sein kann. Eher wesentlich später - vielleicht gar erst Ende der zweitnächsten. Und nun, nur damit es nicht dann eventuell doch zu Uneinigkeiten kommt, muß ich doch ein Wort über das Honorar sprechen.
Falls es sich herausstellen sollte, daß Sie die Instrumentation bezahlen müssen, würde ich sie Ihnen für 100 Gulden machen. Falls aber Weinberger dafür zahlt, könnte ich es nicht unter mindestens (bitte: mindestens!) 150 Gulden hergeben. Womöglich aber (siehe oben) wesentlich mehr!
Ich rede von dieser Angelegenheit nur deshalb schon jetzt, weil dieses Honorar sich etwas höher stellt, als dasjenige, das ich sonst, allerdings aber: für Operetten, erhalten habe. Aber ich habe schon an dem ersten Stück (19 Partiturseiten, die ich sonst bequem in 1 Tage mache) gesehen, daß diese Arbeit mir viel mehr Mühe macht. So habe ich auch auf das erste Stück 3 volle Arbeitstage gewendet. So erklärt sich wohl zur Genüge die Höhe des Honorars.
Ich hoffe, daß Sie, falls Weinberger zahlt, mehr als dieses Minimum herausschlagen. Ich habe es nur angesetzt, weil ich die Arbeit gern machen will und um nicht daraus Schwierigkeiten en[t]stehen zu lassen.
Ich schicke Ihnen das fertige Stück gleich zu. Sollten Sie Wünsche haben, so bitte recht ausführlich zu schreiben. Ich glaube aber, daß es recht gut sein dürfte. Es ist nur schade, daß ein bischen viel ff (fortissimo) in allen Stücken vorkommt. Da giebt es, wie man ja sogar ausrechnen kann, im Orchester viel weniger Klangfarben. Aber das wird kaum ein wesentliches Hindernis sein.
[...]
Noch Eines: ich habe mich an Busoni wegen meiner symphonischen Dichtung gewendet. Gar nichts Verbindliches für Sie, natürlich! Denn ich hätte es auch so gethan, wenn ich auf irgend eine andere Art erfahren hätte, daß er seine Concerte wieder giebt. [...]
[Federhofer 1.c., S. 372ff.]

Die Orchestration wurde wohl noch im selben Monat beendet. Schenker sah bereits vom 7. bis 9. Oktober die Orchesterstimmen durch [Federhofer 1.c., S. 374] und so konnte Busoni Schönberg bereits am 15. Oktober mitteilen, daß er die ,Tänze‘ erhalten habe [Katalog 1974, Nr. 60]. Die Aufführung fand am 5. November 1903 in Berlin unter Busonis Leitung statt: Der Programmzettel meldet: Heinrich Schenker, Wien, Syrische Tänze. Instrumentiert von Arnold Schönberg. 1. Andante expressivo, Allegro scherzando, 2. Allegro con fuoco, 3. Allegretto, 4. Allegro molto passionato [Federhofer 1.c., S. 375] Die Aufführung brachte nicht den gewünschten und von Busoni offenbar auch erwarteten Erfolg. In dem weniger glücklich ausgefallenen Orchesterabend Busonis schließlich hinterließen sie keinen Eindruck. Entweder war es unbedeutende Musik oder das Werk kam unter der wenig geschickten Leitung nicht zur Geltung [E.E. Taubert, in: Die Musik I1I/1 (H. 5), 1903/04, S. 385] Der (maliziös gestimmte) Kritiker Max Steinitzer fand es nicht einmal der Erwähnung wert [Signale für die musikalische Welt 61, 1903, S. 1075] Nach dieser wohl einzigen Aufführung war die Angelegenheit für Schönberg erledigt. Partitur und Aufführungsmaterial gelten derzeit als verschollen. Sie sind bisher weder in den Nachlässen von Busoni, Schenker und Schönberg noch im Archiv des Verlages Josef Weinberger GmbH, Wien, aufgefunden worden.
(GA, Reihe B, Bd. 25/26, S. XX)

Gattung: Bearbeitungen --> Bearbeitungen für Orchester
beteiligte Personen: Heinrich Schenker (1868-1935) - Komponist(in)

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