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Und Pippa tanzt! Ein Glashüttenmärchen in vier Akten

Entstehungszeitraum: 1906-1907
Quellen:

Textquelle

Skizzen und Entwürfe im III. Skizzenbuch

Zweiteilige Niederschrift

Beschreibung:

Keine der Quellen enthält einen Datumsvermerk. Anhaltspunkte für die Datierung geben zum einen – als Terminus ante quem non – das Datum der Erstveröffentlichung von Hauptmanns Drama und zum anderen Datumsangaben auf den er­sten Seiten des für Quelle A verwendeten III. Skizzenbuchs, die vornehmlich Teile der Ersten Niederschrift der Kammer­symphonie op. 9 sowie Skizzen zur II. Kammersymphonie op. 38 und zu einigen Liedern enthalten. Auf der ersten Seite des Schmutztitels schrieb Schönberg oben rechts mit Tinte: April 1906. Datierungen vor den mit Skizzen zu Und Pippa tanzt! beschriebenen Seiten [42]-45 befinden sich auf S. [28] (Sk206: 16/7. 1906), S. [32] (Sk210: 1/8. 1906) und S.33 (Sk211: 14/8. 1906). Die nächste Datumsangabe im Anschluß an die Skizzen zu Und Pippa tanzt! steht erst auf S. 57 (Sk235): 9/3. 1907. Demnach lassen sich die Skizzen und Entwürfe zur Vertonung von Hauptmanns Drama auf die Zeit zwischen Spätsommer 1906 und März 1907 eingrenzen. Auch die beiden Niederschriften dürften in demselben Zeitraum entstan­den sein. Dies wird insbesondere durch die Tatsache nahegelegt, daß B2 die nur unwesentlich redigierte Reinschrift der Skizzen A7 und A9 ist.
Auf welche Weise Schönberg Und Pippa tanzt! kennengelernt hatte, ist nicht bekannt. Mehrere Möglichkeiten bieten sich hier an.
Hauptmanns Drama wurde im November 1905 abgeschlossen (vgl. Hauptmanns Tagebucheintrag vom 28. 11. 1905, in dem eine Lesung der Schlußfassung festgehalten ist), die Uraufführung fand bereits wenige Monate später am 19. Januar 1906 im Berliner Lessingtheater statt. Diese Aufführung wurde auch in den Wiener Zeitungen besprochen, so von Paul Goldmann am 30. Januar 1906 in der Wiener Neuen Freien Presse (später in leicht überarbeiteter Version veröffentlicht in: Paul Goldmann,Vom Rückgang der deutschen Bühne. Polemische Aufsätze über Berliner Theater-Aufführungen, Frankfurt am Main 1908, S. 73-83). In der Fackel erschien zunächst nur eine kurze Notiz (Nr. 195, 10.2.1906, S. 24-26), die sich vor al­lem mit der Uraufführungskritik von Paul Goldmann beschäftigt. Knapp zwei Monate später folgte jedoch ein ausführlicher Bericht von Thaddäus Rittner (Nr. 200, 3.4. 1906, S. 9-13). Zwar befinden sich beide Ausgaben der Fackel nicht in Schön­bergs Bibliothek (erst ab Nr. 208 sind Exemplare der Fackel erhalten, wenngleich nicht immer vollständig), doch erscheint es nicht ausgeschlossen, daß Schönberg sie dennoch gelesen und somit auf diesem Weg erstmals Kenntnis von Hauptmanns neuem Werk erhalten hat. Die Wiener Erstaufführung von Und Pippa tanzt! fand dann – als Gastspiel des Berliner Les­singtheaters – am 25. Mai 1906 im Theater an der Wien statt. Es fehlt jedoch auch hier an Dokumenten, die Schönbergs Besuch einer Aufführung belegen.
Im Fischer-Verlag erschien ungefähr zeitgleich mit der Uraufführung zunächst im Januar 1906 eine Einzelausgabe des Dra­mas, im November desselben Jahres schloß sich die Veröffentlichung im 6. Band der Gesammelten Werke in sechs Bänden an. Schönberg besaß zwar diese sechsbändige Ausgabe, doch deutet ein Ende 1909 an Erwin Stein geschriebener Brief (Also: ich danke Ihnen sehr für Ihr Weihnachtsgeschenk; ich habe mich sehr darüber gefreut. Insbesondere der Altenberg. Aber auch der Hauptmann ist mir sehr lieb; Durchschrift, LC) darauf hin, daß der Komponist diese Bücher womöglich erst zu Weihnachten 1909 geschenkt bekommen hat.Schließlich könnte das Interesse an Hauptmanns Drama auch durch Max Marschalk, dem künstlerischen Berater des Dreililien-Verlags, geweckt worden sein. Marschalk war nicht nur der Schwager Gerhart Hauptmanns, sondern hat selbst Musik zu Und Pippa tanzt! geschrieben (Max Marschalk, Vorspiel zu Gerhart Hauptmanns Glashüttenn2ärchen „Utd Pippa tanzt", op. 30, Verlag Dreililien, o. J. [Copyright 1906]). Das in der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz aufbewahrte Autograph ist datiert 24. Juli [19] 06 (Signatur Mus. ms. autogr. M. Marschalk 9), ferner haben sich Skizzen sowie ein Vorspiel zum III. Akt erhalten (Signatur Mus. ms. autogr. M. Marschalk 11 sowie Mus. ms. autogr. M. Mar­schalk 10).
Da keine Briefzeugnisse über die Vertonung von Und Pippa tanzt! überliefert sind, muß offenbleiben, durch wen der Kom­ponist zur Beschäftigung mit Hauptmanns Werk angeregt wurde und wann er die instrumentale Einleitung sowie den Be­ginn des 1. Akts skizzierte bzw niederschrieb. Hauptmanns Drama wird dann erst 1928 im Zusammenhang mit Alban Bergs schließlich an Honorarfragen gescheiterten Plänen, das Werk zu einem Opernlibretto umzuarbeiten, erwähnt. Aber auch hier machte Schönberg keine näheren Angaben, ja er scheint sogar auf eine Mitteilung, daß er selbst gut 20 Jahre zuvor ein-mal dieses Werk zu vertonen begonnen hatte, verzichtet zu haben. (Scheideler, Ullrich: GA, Reihe B, Bd. 6, Teil 2, S. 303-304)

Opernfragment nach dem gleichnamigen Drama von Gerhart Hauptmann. Überliefert sind Skizzen und Entwürfe (A) sowie eine zweiteilige Niederschrift des Beginns des I. Akts (B1, B2). (Scheideler, Ullrich: GA, Reihe B, Bd. 6, Teil 2, S. 301)

Besetzung: Orchester, Soli
Gattung: Bühnenwerke --> Oper (Fragment)
Text:

Text nach GA [Auszeichnungen sind angeglichen.]:

Und Pippa tanzt!
Ein Glashüttenmärchen in vier Akten

Dramatis personae
Tagliazoni, italienischer Glastechniker
Pippa, seine Tochter
Der Glashüttendirektor
Der alte Huhn, ein ehemaliger Glasbläser
Michel Hellriegel, ein reisender Handwerksbursche
Wann, eine mythische Persönlichkeit
Wende, Wirt in der Schenke im Rotwassergrund
Die Kellnerin in der gleichen Schenke
Schädler [Glasmalermeister]
Anton [Glasmalermeister]
[...]
Das Märchen spielt im schlesischen Gebirge zur Zeit des Hochwinters.

Erster Akt
Das Gastzimmer in der Schenke des alten Wende im Rotwassergrund. Rechts und im Hintergrund je eine Tür, die letztere auf den Hausflur führend. Im Winkel rechts der Kachelofen, links das Schenksims. Kleine Fensterchen, Wandbänke, dunkle Balkendecke. Drei besetzte Tische links. Den ersten, am Schenksims, nehmen Waldarbeiter ein. Sie trinken Schnaps und Bier und rauchen Pfeifen. Um den zweiten Tisch, mehr nach vorn, sitzen besser gekleidete Leute: die Glasmalermeister Schädler und Anton, einige andre und ein Italiener von etwa fünfzig Jahren, namens Tagliazoni, der sehr verwogen aussieht. Sie spielen Karten. Am vordersten Tisch hat sich der Glashüttendirektor niedergelassen: ein hoher Vierziger mit kleinem Kopf, schlank und schneidig in der Erscheinung. Er trägt Reitstiefel, Reithose und Reitjackett. Eine halbe Flasche Champagner steht vor ihm und ein feines, vollgeschenktes Spitzglas. Daneben auf dem Tisch liegt eine Reitpeitsche. Es ist nachts nach zwölf. Draußen herrscht starker Winter. Einige Lampen verbreiten karges Licht. Durch die Fenster dringt Mondschein in den dunstigen Raum. Der alte Wirt Wende und eine ländliche Kellnerin bedienen.

Wende, grauhaarig, von unbeweglich ernstem Gesichtsausdruck: Noch eine Halbe, Herr Direktor?
Direktor: Was denn sonst, Wende? - Ganze! - Ist die Stute gut abgerieben?
Wende: War selber dabei. So'n Tier verdient's! sah wie'n Schimmel aus, so voller Schaum.
Direktor: Stramm geritten!
Wende: Staatspferd.
Direktor: Hat Blut! Stak manchmal bis an den Bauch im Schnee. Immer durch!
Wende, schwach ironisch: Treuer Stammgast, der Herr Direktor.
Direktor trommelt auf den Tisch, lacht flott: Eigentlich sonderbar, was? Januar, zweistündiger Ritt durch den Wald, alter Kerl - spaßhafte Anhänglichkeit! Sind meine Forellen schon im Gang?
Wende: Gut Ding will Weile!
Direktor: Jawoll, woll, woll! Werden Sie bloß nicht ungemütlich! - Kann ich 'was dafür, daß Sie hier in dieser halb böhmisch, halb deutschen, verlassenen Kaschemme sitzen, Wende?
Wende: Das nicht, Herr Direktor! Höchstens wenn ich raus muß!
Direktor: Sie oller Griesdram, reden Sie nich!
Wende: Gucken Se 'mal zum Fenster 'naus.
Direktor: Weiß schon, die olle, verfallene Konkurrenz-Hütte. Die wird 'mal nächstens auf Abbruch verkauft, bloß daß Sie nich immer wieder 'von anfangen. - Was klagen Sie denn? Es geht doch sehr gut! Sie kommen doch zwei, drei Stunden her und lassen das Geld sitzen, haufenweise.
Wende: Wie lange wird denn der Rummel dauern? Als die Glashütte hier nebenan ihre zwei Oefen noch brannte, da war das 'n ruhiges, sicheres Brot - jetzt ist man uf Schweinerei angewiesen.
Direktor: I, Sie Querkop! Machen Sie 'mal, daß ich Wein kriege! Wende entfernt sich achselzuckend. An dem Spielertisch ist ein Wortwechsel entstanden.
Tagliazoni, heftig: No, signore! no, signore! Impossibile! ich haben ein Goldstück hingelegt. No, signore! Sie täuschen sich! no, signore...
Meister Schädler: Halt! verpuchte Liega sein doas!
Tagliazoni: No, signore! Per Bacco noch 'mal! Ladri! Ladri! assassini! Ti ammazzo!
Meister Anton, zu Schädler: Do leit ju Die' Geld!
Meister Schädler entdeckt das gesuchte Goldstück: Das war Dei' Glicke, verdammter Lausigel!
Direktor, zu den Spielern hinüber: Na, Ihr Lüdriane! wann hört Ihr denn auf?
Meister Anton: Wenn der Herr Direktor nach Hause reit't.
Direktor: Da könnt Ihr ja nackt hinterm Gaule herlaufen! Bis dahin habt Ihr doch 's Hemde vom Leibe verspielt!
Übersetzter Text:

Text nach GA [Auszeichnungen sind angeglichen.]:

Und Pippa tanzt!
Ein Glashüttenmärchen in vier Akten

Dramatis personae
Tagliazoni, italienischer Glastechniker
Pippa, seine Tochter
Der Glashüttendirektor
Der alte Huhn, ein ehemaliger Glasbläser
Michel Hellriegel, ein reisender Handwerksbursche
Wann, eine mythische Persönlichkeit
Wende, Wirt in der Schenke im Rotwassergrund
Die Kellnerin in der gleichen Schenke
Schädler [Glasmalermeister]
Anton [Glasmalermeister]
[...]
Das Märchen spielt im schlesischen Gebirge zur Zeit des Hochwinters.

Erster Akt
Das Gastzimmer in der Schenke des alten Wende im Rotwassergrund. Rechts und im Hintergrund je eine Tür, die letztere auf den Hausflur führend. Im Winkel rechts der Kachelofen, links das Schenksims. Kleine Fensterchen, Wandbänke, dunkle Balkendecke. Drei besetzte Tische links. Den ersten, am Schenksims, nehmen Waldarbeiter ein. Sie trinken Schnaps und Bier und rauchen Pfeifen. Um den zweiten Tisch, mehr nach vorn, sitzen besser gekleidete Leute: die Glasmalermeister Schädler und Anton, einige andre und ein Italiener von etwa fünfzig Jahren, namens Tagliazoni, der sehr verwogen aussieht. Sie spielen Karten. Am vordersten Tisch hat sich der Glashüttendirektor niedergelassen: ein hoher Vierziger mit kleinem Kopf, schlank und schneidig in der Erscheinung. Er trägt Reitstiefel, Reithose und Reitjackett. Eine halbe Flasche Champagner steht vor ihm und ein feines, vollgeschenktes Spitzglas. Daneben auf dem Tisch liegt eine Reitpeitsche. Es ist nachts nach zwölf. Draußen herrscht starker Winter. Einige Lampen verbreiten karges Licht. Durch die Fenster dringt Mondschein in den dunstigen Raum. Der alte Wirt Wende und eine ländliche Kellnerin bedienen.

Wende, grauhaarig, von unbeweglich ernstem Gesichtsausdruck: Noch eine Halbe, Herr Direktor?
Direktor: Was denn sonst, Wende? - Ganze! - Ist die Stute gut abgerieben?
Wende: War selber dabei. So'n Tier verdient's! sah wie'n Schimmel aus, so voller Schaum.
Direktor: Stramm geritten!
Wende: Staatspferd.
Direktor: Hat Blut! Stak manchmal bis an den Bauch im Schnee. Immer durch!
Wende, schwach ironisch: Treuer Stammgast, der Herr Direktor.
Direktor trommelt auf den Tisch, lacht flott: Eigentlich sonderbar, was? Januar, zweistündiger Ritt durch den Wald, alter Kerl - spaßhafte Anhänglichkeit! Sind meine Forellen schon im Gang?
Wende: Gut Ding will Weile!
Direktor: Jawoll, woll, woll! Werden Sie bloß nicht ungemütlich! - Kann ich 'was dafür, daß Sie hier in dieser halb böhmisch, halb deutschen, verlassenen Kaschemme sitzen, Wende?
Wende: Das nicht, Herr Direktor! Höchstens wenn ich raus muß!
Direktor: Sie oller Griesdram, reden Sie nich!
Wende: Gucken Se 'mal zum Fenster 'naus.
Direktor: Weiß schon, die olle, verfallene Konkurrenz-Hütte. Die wird 'mal nächstens auf Abbruch verkauft, bloß daß Sie nich immer wieder 'von anfangen. - Was klagen Sie denn? Es geht doch sehr gut! Sie kommen doch zwei, drei Stunden her und lassen das Geld sitzen, haufenweise.
Wende: Wie lange wird denn der Rummel dauern? Als die Glashütte hier nebenan ihre zwei Oefen noch brannte, da war das 'n ruhiges, sicheres Brot - jetzt ist man uf Schweinerei angewiesen.
Direktor: I, Sie Querkop! Machen Sie 'mal, daß ich Wein kriege! Wende entfernt sich achselzuckend. An dem Spielertisch ist ein Wortwechsel entstanden.
Tagliazoni, heftig: No, signore! no, signore! Impossibile! ich haben ein Goldstück hingelegt. No, signore! Sie täuschen sich! no, signore...
Meister Schädler: Halt! verpuchte Liega sein doas!
Tagliazoni: No, signore! Per Bacco noch 'mal! Ladri! Ladri! assassini! Ti ammazzo!
Meister Anton, zu Schädler: Do leit ju Die' Geld!
Meister Schädler entdeckt das gesuchte Goldstück: Das war Dei' Glicke, verdammter Lausigel!
Direktor, zu den Spielern hinüber: Na, Ihr Lüdriane! wann hört Ihr denn auf?
Meister Anton: Wenn der Herr Direktor nach Hause reit't.
Direktor: Da könnt Ihr ja nackt hinterm Gaule herlaufen! Bis dahin habt Ihr doch 's Hemde vom Leibe verspielt!
beteiligte Personen: Gerhard Hauptmann (1862-1946) - Textautor(in)

Erstdruck: GA, Reihe B, Bd. 6, Teil 2, S. 306-307, 309-312
Gesamtausgabe: Reihe B, Bd. 6, Teil 2, S. 306-307, 309-312; Reihe B, Bd. 6, Teil 2, S. 301-319; Skizzen: Reihe B, Bd. 6, Teil 2, S. 313-319

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