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Streichquartett Nr. 3

Opus: op. 30
Entstehungszeitraum: 24.01.1927-19.09.1927
Uraufführung: 19. September 1927, Wien, Konzerthaus, Mozart-Saal (Wiener Streichquartett [Kolisch-Quartett]). Quelle: Programm (Arnold Schönberg Center Image Archive, ID 5598).
Quellen:

Skizzen und Reihentabellen
Weitere Quellen:

Niederschrift

Photokopie der Niederschrift B ante corr. Vorlage für die handschriftlichen Stimmen C* und den Stich des Originaldrucks D

Handschriftliche Stimmen aus dem ehemaligen Besitz von Rudolf Kolisch

Originaldruck als Studienpartitur. Universal Edition AG Wien Leipzig/Wiener Philharmonischer Verlag 1927. U.E. 8927 W.Ph.V.228

1. Handexemplar Schönbergs [D1]

2. Handexemplar Schönbergs [D2]

3. Handexemplar Schönbergs [D3]

Gedruckte Stimmen zum Originaldruck. Universal-Edition AG Wien Leipzig, U.E. 8928 (1. Geige: U.E 8928a, 2. Geige: U.E 8928b, Bratsche: U.E 8928c, Violoncello: U.E 8928d)

Beschreibung:

Nach der Vollendung des II. Streichquartetts op. 10 im Herbst 1908 vergingen mehr als achtzehn Jahre, bis Schönberg 1927 mit op. 30 wieder eine Komposition dieser Gattung abschloß. Die tiefgreifenden Wandlungen in seiner komposi­torischen Entwicklung - die Abwendung von der Tonalität, die Entfaltung des atonalen Stils vorab in Vokalwerken, schließlich die Konzipierung der Methode der Zwölftonkomposition - hatten das Streichquartett, dem als Gattung seit Ende des 18. Jahrhunderts höchster ästhetischer Rang zukam, in den Hintergrund treten lassen. Für die zweite Hälfte der zwanziger Jahre indes ist die Tendenz Schönbergs bezeichnend - und ihr fügt sich das Entstehen einer Quartett­komposition bruchlos ein -, seine Methode der Komposition mit zwölf nur aufeinander bezogenen Tönen auch in Werken größeren Anspruchs zu erproben. Zuvor waren auf Grundlage dieser Kompositionstechnik lediglich Klavierwerke, Kammermusikwerke gemischter Besetzung und Chorwerke geringen Umfangs geschrieben worden; nun wandte sich Schönberg mit den Variationen op. 31 (1926-1928) der Orchesterkomposition und mit Von heute auf mor­gen op. 32 (1928-1929) der Oper zu. Gründet sich bei letzteren der kompositorische Anspruch in erster Linie auf die Dimension der Werke, so beim Streichquartett auf die ästhetische Geltung der Gattung.
Aber Schönberg hatte schon vor op. 30 Versuche unternommen, ein Streichquartett im Zwölftonverfahren zu schrei­ben. Aus dem Jahre 1926, also dem jener Komposition unmittelbar vorangehenden Zeitraum, sind zwei Fragmente überliefert, eines vom März 1, das andere vom September. Mit wieviel Optimismus Schönberg im März bei der Ar­beit war, zeigt die Tatsache, daß er seinen Schwager Rudolf Kolisch, den Primgeiger des Wiener Streichquartetts, von der entstehenden Komposition wissen ließ. Die Reaktion war enthusiastisch; in einem mit großer Wahrscheinlich­keit auf März 1926 zu datierenden Brief schreibt Kolisch an den Komponisten: Die Anzeige über den Beginn der Quartett­komposition ist natürlich eine Sensation für mich. Und Joachim Stutschewsky, der damalige Cellist des Wiener Streich­quartetts fügt demselben Brief ein Postskript an: Die Nachricht vom Quartett löste große Begeisterung aus. Wir warten mit Ungeduld darauf Aber Schönberg brach die Arbeit schnell wieder ab; am 26. März berichtet er Anton Webern: Ebenso habe ich eine angefangene Passacaglia für Orchester und ein Streichquartett zunächst wieder stehen lassen.
Das III. Streichquartett wurde, wie die folgenden Daten aus den autographen Quellen belegen, zwischen dem 24. Ja­nuar und dem B. März 1927, also in der erstaunlich kurzen Zeit von gut sechs Wochen, komponiert.

1. Satz
24. Januar 1927 für den Anfang (B S. 1); 28. Januar 1927 für die Skizzierung ab T. 62 (A S. 4); 30. Januar 1927 bei der Arbeit an T. 104 (B S. 4) ; 10. Februar 1927 für den Abschluß (B S. 12).
2. Satz
28. Januar 1927 für den Entwurf des Anfangs (A S. 1); 4. Februar 1927 für den Anfang der Niederschrift (B S. 13); 20. Februar 1927 für den Abschluß (B S. 18).
3. Satz
28. Januar 1927 für den Entwurf des Anfangs (A S. 2); 3. Februar 1927 für den Anfang der Niederschrift (B S. 19) ; 4. März 1927 für den Abschluß (B S. 27).
4. Satz
5. Februar und 3. März 1927 für den Anfang (B S. 28); 8. März 1927 für den Abschluß (B S. 36).

Die Reihentechnik des Quartetts weist einige Besonderheiten auf, die es von den meisten anderen Zwölftonkomposi­tionen Schönbergs abheben. Dem Tonsatz liegen drei Permutationen der Reihe zugrunde, die sich bei einem festgehal­tenen Vordersatz der Töne 1 bis 5 in der Anordnung der Töne 6 bis 12 voneinander unterscheiden. Überdies ermög­licht keine der drei Permutationen das Verfahren der combinatoriality, d. h. die Kombination einer Grundgestalt mit einer hinsichtlich des Tonvorrats der Hexachorde komplementären Umkehrung.
Dieser Umstand wohl hat dazu geführt, daß ein großer Teil der Skizzen dem Aspekt gewidmet ist, in welcher Weise intervallische Beziehungen zwischen Reihenvarianten ihre Kombination im Tonsatz ermöglichen. Skizzen zu be­stimmten Passagen liegen in nur geringem Umfang vor. Bemerkenswert ist vor allem die Tatsache, daß zu dem Quar­tett - anders als bei den allermeisten Kompositionen Schönbergs - keine Erstniederschrift, noch nicht einmal Teile davon, überliefert ist.
Über den äußeren Anlaß der Komposition hat Schönberg selbst eine zumindest ungenaue Angabe gemacht, die bis heute durch die Schönbergforschung5 nicht korrigiert ist: Das III. und IV. Streichquartett have in common that both have been commissioned by the great patron of chamber music, Elizabeth Sprague Coolidge (Notes an the Four String Quartets, in: Schoenberg Berg Webern Die Streichquartette, hrsg. von Ursula v. Rauchhaupt, Hamburg 1971, S. 52. ' Unveröffentlicht, Archiv der Universal Edition Wien.). Tatsächlich jedoch hat Schönberg - wie die jetzt zugängliche Korrespondenz offen legt - den Zusammenhang zwischen Werk und Mäzenin erst im nachhinein hergestellt: Er ist einem Angebot von Mrs. Coolidge, das ihn erst kurz vor Abschluß der Arbeit am Streichquartett erreichte und das auf eine Komposition mit anderer Besetzung zielte, durch das Streichquartett nachgekommen.
Den ersten Kontakt in dieser Angelegenheit stellte der Dirigent Hans Kindler im Auftrag von Mrs. Coolidge durch ein Telegramm her, das die Universal Edition am 2. März 1927 an Schönberg weiterreichte:
Will you accept commission to write chamber orchestra work for Mrs Coolidge before september honorarium seven hundred fifty dol­lars wire answer.
Schönberg akzeptierte im Prinzip, ersetzte jedoch das erbetene Werk für Kammerorchester durch das Streichquartett. Beleg dafür ist vor allem die Widmung der Komposition, die er am 29. Juni 1927 der Universal Edition mitteilte: Bei dieser Gelegenheit bitte ich zur Kenntnis zu nehmen, daß das Quartett der Frau Coolidge gewidmet sein wird und vorzumer­ken, daß der Wortlaut der Widmung rechtzeitig eingefordert werden muß.
Einen Monat später erhielt Schönberg das zugesagte Honorar als Scheck über 750 Dollar, den er am 29. Juli 1927 an sein Bankhaus zur Einlösung weiterreichte.
Im Laufe des Jahres 1926 ergaben sich zwischen Schönberg und seinem Verlag, der Universal Edition Wien, zuneh­mend Verstimmungen, die sich am Jahresende so vertieften, daß Überlegungen zur Änderung der Vertragsbedingun­gen angestellt wurden. In dieser Situation suchte Schönberg Kontakt auch zu anderen Verlagen, so zum Peters Verlag in Leipzig, der schon 1912 seine Fünf Orchesterstücke op. 16 gedruckt hatte. Am 2. Februar 1927 bot er Henri Hinrichsen, dem Inhaber des Peters Verlages, sowohl das III. Streichquartett als auch die ebenfalls noch unvollendeten Orche­stervariationen an. Während Schönbergs Angebotsschreiben bislang nicht aufgefunden wurde, ist die weitere Korre­spondenz, in der die letztlich erfolglosen Verhandlungen geführt wurden, zugänglich; sie wird im Abschnitt Doku­mente8 vollständig wiedergegeben.
Im Frühjahr 1927 jedoch verbesserten sich die Beziehungen zur Universal Edition wieder, und Schönberg überließ dem Verlag - wie danach auch die Orchestervariationen - das Streichquartett. Ende Mai 1927 schickte er eine Reinschriftko­pie als Herstellungsvorlage für die Stimmen und den Originaldruck nach Wien. Am Sonntag, dem 29. Mai, kündigte er diese Sendung an:
PT UE, ich sende morgen an Sie die photographierte Partitur des ersten Werkes, das ich Ihnen heuer im Sinne unseres Vertrages liefern werde: das III. Streichquartett op. 30
Da das Kolisch-Quartett die kurze Zeit meines Wiener Aufenthaltes benützen muß, um das Werk unter meiner Leitung zu studie­ren, möchte ich ungefähr Montag den 5. Juni bereits die erste Probe davon halten.
Deshalb bitte ich Sie, die Partitur sofort den verläßlichsten und schnellsten Kopisten (jedem einen Satz) zu geben. Sie werden die Partitur spätestens Mittwoch haben; dann können die Stimmen Freitag fertig und Samstag revidiert sein, so daß die Herrn vom Quartett noch am Sonntag ihre Stimme ein bißchen ansehn können.
Nach den ersten Proben kann dann auch der Stich sofort beginnen. Wir werden dann diesmal eine sehr gute und auskorrigierte Stich­vorlage haben, sodaß ich keine Korrektur lesen muß.
Den größten Teil der Arbeit bei der Vorbereitung des Originaldrucks übernahm Schönbergs Schwiegersohn, der Komponist Felix Greissle. Das dokumentieren nicht allein die Eintragungen in der Stichvorlage, sondern auch ein vom Verlag am 21. Juli 1927 an Schönberg gerichteter Brief, aus dem hervorgeht, daß Greissle die Komposition vor der Drucklegung auf Unstimmigkeiten durchgesehen hat:
Nachdem wir gestern den IV. Satz Ihres Streichquartetts von Herrn Greissle erhalten haben, beginnen wir sogleich mit dem Stich der Taschenpartitur und bitten Sie, Ihrem Wunsche gemäß, uns nun den Wortlaut der Widmung an Frau Coolidge angeben zu wollen.
Die Taschenpartitur erschien am 14. November 1927, der Stimmendruck am 4. April 1929. Ein von Felix Greissle verfertigter Auszug für Klavier zu vier Händen liegt nur im Manuskript. vor.
Die Uraufführung durch das Wiener Streichquartett (Kolisch-Quartett) - nun in der Besetzung Rudolf Kolisch, Fe­lix Khuner, Eugen Lehner, Benar Heifetz - fand am 19. September 1927 im Beisein der Widmungsträgerin in Wien statt.
(GA Reihe B, Band 21, S. XII-XIV)

An autographen Quellen ist neben den Kompostionsentwürfen (A) nur die Bleistiftniederschrift (B) überliefert. Eine Photokopie dieser Niederschrift (Ba) diente als Stichvorlage für den Originaldruck der Partitur (D); davon liegen drei Exemplare vor, die Schönberg als Handexemplare benutzt, d.h. mit Eintragungen versehen hat (D1, D2, D3). Die von einem Kopisten aus Ba ausgezogenen Stimmen (C*), die Vorlage für den Stimmendruck (E) waren, sind verschollen.

Besetzung: Viola, Violine I, Violine II, Violoncello
Gattung: Kammermusik --> Streichquartette
beteiligte Personen: Elizabeth Sprague Coolidge (1864-1953) - Widmungsträger(in)

Erstdruck: Universal Edition AG Wien Leipzig/Wiener Philharmonischer Verlag 1927
Gesamtausgabe: Reihe A, Band 21; Reihe B, Band 21

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