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Orchesterlieder (Fragmente)
[GA B 3.01] Gethsemane

Entstehungszeitraum: 11.05.1899
Quellen:

Textquelle

Autographe Niederschrift

Skizze

Beschreibung:

[T]he Dehmel settings of 1899 merit close attention because it is through them that Schoenberg moves definitely beyond the Brahms style to explore and gain mastery over a more progressive chromatic language and more ambitious musical forms. There is no question that this language owes much to Wagner, and probably something to Wolf and Richard Strauss, all composers for whom Schoenberg developed an appreciation in the last few years of the century. As with some of the Brahmsian works examined in Part I [Frisch erörtert hier den Einfluss Brahms' auf Schönbergs früheste Kompositionen, Anm.], we now find many Wagnerian "symptoms", such as surging model-and-sequence constructions. One particularly bald example is the lengthy instrumental introduction to Gethsemane, a fragment for baritone and orchestra, which is modelled directly on the Prelude to Tristan. As the piece unfolds, the sequences become progressively shorter and the climax is reached (on the "Tristan" chord, of cours) approximately three-fourths of the way trhough (m. 25).
The interest and importance of the works of 1899 lie in the way Schoenberg assimilates some of these Wagnerian techniques to the Brahmsian ones he had already absorbed. Schoenberg himself pointed to this kind of synthesis in Verklärte Nacht (Schoenberg 1975, 80), which was completed toward the end of 1899; but the other Dehmel works form an indispensable part of this process. Based on the style and technique of the surviving music and on the chronology suggested by the paper types, we can trace, in brief, the following development in Schoenberg's Dehmeljahr.
He turned first, in the spring of 1899, to two of the most explosive poems in Weib und Welt, "Mannesbangen" and "Warnung." In the first of these settings, the chromatic harmony and the motivic language-the Wagnerian and Brahmsian spheres, so to speak-are poorly coordinated. Warnung is in these respects more successful, but still awkward; Schoenberg himself was dissatisfied enough to undertake a major revision in 1903-4. The draft of Warnung was followed by Gethsemane, set to a very different kind of poem, a long monologue spoken by Jesus on the eve of his arrest. Here, too, Schoenberg came to a dead end, breaking off the piece after 88 measures. (Frisch, Walter: The Early Works of Arnold Schoenberg. 1893-1908. Berkeley-Los Angeles-London: University of California Press 1993, p. 82-83)

Überliefert ist eine autographe Niederschrift in Form eines Klavierauszuges mit wenigen Instrumentenangaben. (Schmidt, Christian Martin: GA, Reihe B, Bd. 3, S. 248)

Besetzung: Gesangsstimme, Orchester
Gattung: Lieder --> Orchesterlieder (Fragmente)
Text:

Text nach GA:

Lautlos der steht der starre Hain der Palmen,
tiefe Schatten schaun aus Busch und Halmen,
ihre blauen Thränen weint die Nacht.

Von dumpfen Menschenlauten schauert
der verstummte starre Hain und schauert;
und einsam stöhnt und stöhnt und trauert
auf den Knien ein Mann in Betteltracht.

Höre! Höre! Geist der Wahrheit,
meinen Zwiespalt, meine dunkle Schuld.
Der ich wandelte in Kampf und Starrheit,
Liebe lehrt ich und Geduld.

Ach ein Baum der Licht gab
wollt ich leben

Text nach Vorlage:

Gethsemane.
Lautlos steht der starre Hain der Palmen,
tiefe Schatten schaun aus Busch und Halmen,
ihre blauen Thränen weint die Nacht.
Nur von dumpfen Menschenlauten schauert
der verstummte starre Hain, und schauert;
einsam stöhnt und stöhnt und trauert
auf den Knien ein Mann in Betteltracht.

Höre, höre, Geist der Wahrheit,
meinen Zwiespalt, meine dunkle Schuld:
der ich wandelte in Kampf und Starrheit,
Liebe lehrt'ich und Geduld.
Ach! ein Baum, der Licht gab, wollt'ich leben,
übermächtig der Natur;
nur mein Glaube war mir Leben.
Ach, sie sahn nicht auf mein Streben,
sahn die That, des Baumes Schatten nur.

Uebermenschlich hab'ich mich vermessen,
und sie haben fromm gemeint:
Ich, ich lebte selbstvergessen.
Einer, Er nur - Judas! Freund!
warum willst du mich verraten?!
O zertrennte mich doch mein Gebet,
dass ich zwiefach lebte Wort und Thaten,
Menschen menschlich irrend zu beraten,
auch dem Zweifel ein Prophet!

Und zum Mond die Arme wild gebreitet
und die Augen in die Nacht geweitet,
lässt er seine dunkeln Blicke irr'n.
Und er sieht die Schaaren seiner Qualen,
durch das Dickicht brechen bleiche Stralen,
und sie bohren ihm die fahlen
Dolche gierig in die glühende Stirn.

Wehe, wehe, Geist, der Liebe:
voller Reinheit schwebst du klar und hoch,
doch dein Pfad ist Nacht und kalt und trübe,
und mich kettete die Erde doch!
Schwerter stieß ich in die weichsten Herzen:
Allen wollt'ich liebend glühn,
aber meiner Mutter mach'ich Schmerzen
und mit sehnsuchtswundem Herzen
weint um mich die Magdalenerin.

Nackt und bloß, nur ein Menschensohn,
wollt'ich trösten all mein arm Geschlecht;
doch im Mitleid glimmt die Rache schon,
auch der Reichste hat auf Liebe Recht!
Judas, Judas, kommst du mich zu richten?
ist Entsagung, ist Gewalt mein Loos?
Muß denn diese Welt sich erst vernichten,
um das Reich des Friedens aufzurichten?
Freiheit, lebst du im Gewissen blos?!

Und verzagt aufs Antlitz hingezwungen,
spürt er heftiger die Anfechtungen,
seine zarte Stirne trieft von Schweiß.
Und er fühlt wie Blut die großen Tropfen
von den Schläfen in die Gräser tropfen,
seine brennenden Pulse klopfen
an die Erde hart und laut und heiß.

Geist des Lebens: Klarheit, Klarheit!
wird denn Sieg um Opfer nur gewährt?
Sieh, es kommt der Jünger Meiner Wahrheit:
hier der Todesbecher, hier das Schwert!
Selig, meiner Inbrunst mich zu töten,
eine Lebensleuchte wollt'ich stehn,
aber jetzt in Todesnöten
sieh mich zittern, sieh mich beten:
laß den Kelch an mir vorübergehn!

Allzu willig war mein Fleisch de Geist!
weh: entbrächen meines Glaubens Gluten.
Sollen Tausend um mich Einen bluten?
Wer nach Meinem Wandel lebt, verwaist.
Nein, ich fühl es: nicht wie Ich will, Vater,
   dunkler Geist, der alle Seelen speist,
   allen Fleisches Schöpfer und Berater,
   Du des Lebens, Du des Todes Vater,
   Deiner Hand befehl ich meinen Geist!

Und er horcht, und sieht die Nacht erglühen,
starrer stehn die Bäume, Fackeln sprühen
auf, und dumpfe Menschenlaute nahn.
Und verzückt den Seherblick gehoben,
steht und hört er seine Häscher toben,
und ein Lächeln schluchzt nach Oben:
Judas, komm! Ich schreite nur voran -

(Weib und Welt. Gedichte von Richard Dehmel / mit einem Sinnbild. Berlin: Verlag von Schuster u. Loeffler 1896, S. 114-118)

beteiligte Personen: Richard Dehmel (1863-1920) - Textautor(in)

Erstdruck: GA, Reihe B, Bd. 3, S. 253-258
Gesamtausgabe: Reihe B, Bd. 3, S. 253-258; Reihe B, Bd. 3, S. 248-258

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