Titel

Werkgattungen

Papiersorten

Volltextsuche

Kategoriensuche

Verknüpfte Suche

Sie befinden sich hier: Alle Titel / Vier Volkslieder für eine Singstimme und Klavier - 3. Mein Herz ist mir gemenget

Vier Volkslieder für eine Singstimme und Klavier
3. Mein Herz ist mir gemenget

Entstehungszeitraum: 01.1929
Weitere Quellen:

Erste Niederschrift mit einer Skizze

Reinschrift. Stichvorlage für den Druck

Originaldruck. Sammeldruck Volkslieder. C.F. Peters Leipzig 1930

Schönbergs Handexemplar des Originaldrucks

Beschreibung:

Bibliographische Hinweise:
1.) Gruppentitel in GA, A, 1, S. [169]: Vier deutsche Volkslieder für eine Singstimme und Klavier
2.) Reihenfolge und Zählung von 3 Mein Herz ist mir gemenget sowie 4 Mein Herz in steten Treuen folgt GA, A, 1. Abweichung in GA, B, 1/2, 1:
Mein Herz ist mir gemenget als Nr. 4 (GA, B, 1/2, 1, S. 236-238)
Mein Herz in steten Treuen als Nr. 3 (GA, B, 1/2, 1, S. 238-240) 

Schönbergs Bearbeitungen deutscher Volkslieder stam­men aus zwei weit auseinander liegenden Schaffensepo­chen: in den Jahren 1928/29 entstanden für das 1930 bei Peters erschienene Volksliederbuch für die Jugend drei Bear­beitungen für gemischten Chor und vier für Gesang und Klavier; zwanzig Jahre später, 1948, nahm Schönberg die Volkslied-Melodien der Klavierlieder noch einmal vor und komponierte drei von ihnen für gemischten Chor (op. 49). Das Lied Es gingen zwei Gespielen gut hat er insgesamt dreimal bearbeitet.


Die Entstehungsdaten lassen sich z. T. nur erschließen:

Drei Volkslieder für gemischten Chor
1. Es gingen zwei Gespielen gut (vor 21.3.1929)
2. Herzlieblich Lieb, durch Scheiden (wohl 22.12.1928)
3. Schein uns, du liebe Sonne (wohl 22.12.1928)

Vier deutsche Volkslieder für eine Singstimme und Klavier
1. Der Mai tritt ein mit Freuden (26.1.1929)
2. Es gingen zwei Gespielen gut (vor 4.2.1929)
3. Mein Herz in steten Treuen (27.1.1929)
4. Mein Herz ist mir gemenget (vor 4.2.1929)

Drei Volkslieder op. 49 (für gemischten Chor)
1. Es gingen zwei Gespielen gut (24.6.1948 beendet)
2. Der Mai tritt ein mit Freuden (26.6.1948 beendet)
3. Mein Herz in steten Treuen (26.6.1948 beendet)

Schönbergs Bearbeitungen aus den Jahren 1928/29 entstanden im Auftrag der Staatlichen Kommission für das Volksliederbuch, die sich im April 1928 an den Komponisten gewandt hatte. Die Kommission hatte sich - so ihr Vorsitzender Max Friedlaender in der Einführung zu Band III - zum Ziel gesetzt, mit dem Volksliederbuch einen Mittelpunkt der gesamten Jugend- und Hausmusik herzustellen. Auf Veranlassung des Preußischen Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung wurden seit 1922 verschiedene Kommissionen zur Erarbeitung einer Kon­zeption gebildet, denen zahlreiche Persönlichkeiten von Rang und Einfluß, vor allem aus dem Bereich der Päd­agogik, auch der Jugendmusikbewegung, angehörten, so Fritz Jöde, Hans Mersmann, Georg Schünemann, Leo Kestenberg. Das neue Liederbuch sollte die Nachfolge der Kaiserliederbücher - des Volksliederbuchs für Männerchor (1906) und des Volksliederbuchs für gemischten Chor (1915) - antreten, die einst von Wilhelm II. angeregt worden waren. Die neue Sammlung sollte sich von den vorangegangenen durch Neuheit und Unbekanntheit des ausgewählten Musikguts unterscheiden. Auch wurden mehr als die Hälfte der Volkslieder in neuen Sätzen vorgelegt, die von den bedeutendsten Musikern unse­rer Zeit eigens für unser Werk geschaffen wurden. Bei der Auswahl der alten wie der neuen Sätze wurde stilistische Vielfalt angestrebt. So finden sich unter den Bearbeitern neben Schönberg, Hindemith und Krenek die Komponi­sten Butting, Graener, Jarnach, Kaminski, Kienzl, Knab, Tiessen, Toch, Zilcher.
Schönberg hatte auf die Anfrage der Kommission vom April 1928 zunächst zögernd reagiert (Brief an Karl Lütge vom 30.5.1928):
[...] von den drei Liedern, die Sie mir gesandt haben, fand ich höchstens eines interessant, während mir die beiden anderen keine bemerkenswerten melodischen Züge zeigen, das eine sogar recht trivial ist. Diese beiden schicke ich Ihnen mit gleicher Post zurück. Das dritte [Es gingen zwei Gespielen gut] habe ich angefangen in einer Art Variationenform für gemischten Chor zu setzen. Ich bin nicht dazu gekommen, es fertig zu machen und weiss auch nicht, ob es für Ihre Zwecke geeignet sein wird, da es etwa so schwierig ist, wie Bach. Immerhin möchte ich die Arbeit, die ziemlich weit fortgeschritten ist (es sind alle sechs Strophen in der Hauptsache fertig), gern vollenden.
Erst am 22. Dezember desselben Jahres schickte Schön­berg zwei Volkslied-Chöre (Herzlieblich Lieb und Schein uns,  B*) an Karl Lütge, der als geschäftsführendes Mit­glied der Kommission den Briefwechsel mit dem Kom­ponisten führte; die im Mai begonnene dritte Bearbeitung war noch immer nicht abgeschlossen.
Am 3. Januar 1929 erfolgte eine neue Anfrage von seiten der Kommission; Lütge bat um die Bearbeitung weiterer Lieder, nun für Gesang und Klavier, der Klaviersatz dürfte freilich keine pianistischen Anforderungen stellen, weil das Buch auch für die einfachsten Verhältnisse gedacht ist. Ich brachte bereits das Bedauern der Kommission zum Ausdruck, daß Ihr Schaffen, was den Umfang betrifft, nicht stärker vertreten sein könnte, und frage an, ob Sie die Kommission noch mit 2 oder 3 Klavierbearbeitungen erfreuen können und wollen.
Bereits am 4. Februar schickte Schönberg vier Bearbei­tungen für die gewünschte Besetzung an Lütge. Am 21. März traf auch die nun abgeschlossene Komposition des dritten Chors (B*) bei Lütge ein. Am 3. August 1929 schließlich erhielt Schönberg eine letzte Vorlage (Gesegn dich Laub) mit der Bitte um Bearbeitung für Gesang und Klavier; aus dem folgenden Brief Lütges (14.8.1929) geht hervor, daß Schönberg dieser Bitte sogleich nachkam. Die Existenz dieser Bearbeitung, die nicht im Volksliederbuch erschien, war bisher unbekannt und hat derzeit als ver­schollen zu gelten.
Der Originaldruck der sieben Bearbeitungen erschien dann beim Verlag Peters im Jahre 1930.
Am 10. November 1929 gelangten zwei der Volkslied-Chöre unter der Leitung von Anton Webern zur Urauf­führung, der dritte, Es gingen zwei Gespielen gut, mußte wegen mangelnder Probenzeit weggelassen werden; es sang im Rahmen eines Arbeitersinfonie-Konzerts im gro­ßen Musikvereinssaal der Singverein.
Gegen Ende des Jahres 1940 bot Schönberg die Volkslied-Chöre und drei der Bearbeitungen für Gesang und Kla­vier dem Schirmer-Verlag, New York, zum Druck an. Carl Engel, Freund des Komponisten und Präsident des Verlags, war geneigt, die Chöre (mit hinzugefügter engli­scher Textierung) zu übernehmen, sah jedoch Schwierigkeiten, was die Verkaufsmöglichkeiten der Klavierlieder anbetraf, und schlug daher ein Arrangement as organ preludes vor. Die Drucklegung scheiterte jedoch, wie aus einem Brief Engels zu entnehmen ist, an Schönbergs zu hohen finanziellen Forderungen.
Die von Schönberg benutzten Melodievorlagen der Volkslieder sind nicht mehr auffindbar; erhalten sind dagegen die von der Kommission vorgegebenen Grundsätze für die Bearbeitung, die neben dem Hinweis auf leichte Ausführbarkeit und der Forderung nach satztechnischer Einfachheit die einzuhaltenden Stimmgrenzen angibt. Diese werden in Schönbergs Bearbeitungen jedoch über-schritten; den Vorschlag Lütges (Brief vom 15.8.1929), an solchen Stellen ad libitum-Erleichterungen hinzuzu­nehmen, lehnte Schönberg ab.
Zur Frage der Takteinteilung und der Tonarten der von der Kommission erstellten Melodievorlagen äußerte sich Schönberg gegenüber Lütge nach Abschluß der Klavier­lieder (4.2.1929) wie folgt:
Leider kam Ihre Antwort, als ich bereits alles fast fertig hatte, so dass ich von den Möglichkeiten anderer Takteinteilung keinen Gebrauch mehr machen konnte. Allerdings habe ich nun meine Bearbeitung so eingerichtet, dass sie auch für den Takt passt, den ich für den richtigen halte, so dass daraus kein Schade für das Ganze entsteht. Etwas dunkel ist mir der Weg, auf dem man zu der mir vorgelegten Takteinteilung gelangt ist, da meines Erachtens die originale ohneweiters in die Augen springt: sowohl nach der Motivverarbeitung als auch (und insbesondere!) nach kontrapunktischen Rücksichten. [...]
Noch etwas: da diese Stücke in Kirchentonarten stehen, habe ich sie nicht auf moderne Art mit Vorzeichen am Rande verse­hen. Ich habe allerdings keine reine Kirchentonart angestrebt, sondern das Spiel mit den verschiedenen Akzidentien nur als färbend angewendet. Trotzdem aber würde ich es für richtig halten, die Stücke mit der alten Art der Tonartsbezeichnung abzudrucken, weil ja die Melodie sowohl als auch die Harmonie nur so verstanden werden können. NB: ich halte diese Lieder nicht für Volkslieder, sondern für Kunstlieder. [...]
In seinen Volkslied-Bearbeitungen zeigt sich Schönberg, wie Adorno (Über einige Arbeiten Arnold Schönbergs, in: Impromptus (Gesam­melte Schriften, hg. v. Rolf Tiedemann, Bd. 17), Frankfurt 1982, S. 336-341) bemerkt, konservativer als seine restaurativen Zeitgenossen; Adorno konstatiert den Verzicht auf Fermente aus der neuen Musik, auf befremdende Archaismen zugunsten strengerer kontrapunktischer Ausarbeitung. Am kunst­vollsten ist wohl das Lied gestaltet, welches Schönberg als erstes begann: die Chorbearbeitung von Es gingen zwei Gespielen gut ist nach den Worten des Komponisten in Variationenform: jede der sechs Strophen in einer ganz neuen Bearbeitung geschrieben und damit dem erzählenden Inhalt des Lieds eher angemessen als die strophische Ver­tonung des Klavierlieds. Darüber hinaus wird die Lied­melodie allen nur denkbaren kontrapunktischen Künsten unterzogen: Diminutionen, Transpositionen, Umkeh­rungen einzelner Melodiezeilen, deren Verwendung im doppelten Kontrapunkt, von der 4. Strophe an dann die Kombination von zwei Kanons, so daß es von da an keinen „freien" Ton mehr gibt. Es finden sich Stellen, an denen die Melodiezeile fast die Funktion eines set erhält. In der Auskonstruktion der Tonalität weisen die Chorbe­arbeitungen in gewisser Weise voraus auf die Variations an a Recitative op. 40, dem Versuch einer Ineinssetzung tonaler und reihentechnischer Kompositionsweise. Das früheste Beispiel einer fast reihenmäßigen Verwendung von Melodiezeilen findet sich übrigens in der als Choral­bearbeitung über Es ist ein Ros entsprungen komponierten Weihnachtsmusik (1921), die noch aus der Zeit der Ent­wicklung der Zwölftonmethode stammt.
(Okuljar, Tadeusz; Sichardt, Martina: GA, Reihe B, Band 18,1, S. XXIX-XXXI)

An autographen Quellen sind lediglich die Erste Niederschrift mit einer Skizze (A) überliefert. Die verschollene Reinschrift (B*) diente als Stichvorlage für den Originaldruck (C), der 1930 erschien. Als Sekundärquelle ist eine Abschrift von Felix Greissle mit Aufführungseintragungen von Anton Webern überliefert (Paul Sacher Stiftung, Basel). (Schmidt, Christian Martin: GA, Reihe B, Bd. 1/2, Teil 1, S. 238-239)

Besetzung: Gesangsstimme, Klavier
Gattung: Lieder --> mit Klavierbegleitung
Text: Mein Herz ist mir gemenget,
aus Lieb und Leid gemischt,
Untreu mich hart bedränget,
daß mir mein Freud erlischt.
Ich weiß nicht, ob hin oder her,
wie ichs auch kehr,
so tut mich Trauren quälen.

Je längr je mehr bin ich verirrt
und kann es nicht abwenden;
ich weiß nicht, was sie also stört,
ihr Freundschaft gar zu enden.
Das zeigte ihr Gebaren klar,
so schwer mirs war;
sie will mir untreu werden.

Gar zornig kehrt sie mir den Rück,
ihr Freundschaft muß ich meiden.
Wär ich so stark als d’Prager Bruck,
ich könnt es nicht erleiden.
Ihr Untreu gibt mir wenig Freud;
ach käm die Zeit,
daß ich kann solches rächen!

(Volkslied, 15. Jahrhundert)

Erstdruck: Volksliederbuch für die Jugend, Band III (Heft 11-14): Einstimmige Lieder mit Begleitung Für Solo- oder Chorgesang. Plattennummer 10739. C.F. Peters Leipzig 1930
Gesamtausgabe: Reihe A, Bd. 1, S. 173; Reihe B, Bd. 1/2, Teil 1, S. 238-240; Skizze: Reihe B, Bd. 1/2, Teil 2, S. 92

zurück